Dienstag, 31. Juli 2012

Goldener Brief 170


170. Diese empfängt der Glaube, gebiert die Hoffnung, formt und belebt die göttliche Liebe (caritas). die der Heilige Geist ist. Denn die Liebe Gottes, oder die Liebe, die Gott ist, der Heilige Geist, ergießt sich in die Liebe des Menschen und in seinen Geist und macht ihn sich zu eigen. Indem Gott sich selbst im Menschen liebt, vereinigt er ihn mit sich, sowohl seinen Geist, als auch seine Liebe. So wie nämlich der Körper nur von seinem Geist das Leben empfängt, so lebt auch die Zuneigung des Menschen, die Liebe genannt wird, nicht, das heißt: sie liebt Gott nicht, außer diese Liebe ist vom Heiligen Geist.

Montag, 30. Juli 2012

Goldener Brief 169


5. Kapitel: Anleitung zum Gebet

169. Im folgenden muss der sinnenverhaftete Anfänger, der junge Soldat Christi, belehrt werden, wie er sich Gott nähern kann, damit sich ihm Gott nähert. So mahnt nämlich der Prophet: "Nähert euch Gott, dann wird er selbst sich euch nähern" (Jak 4,8). Denn der Mensch muss nicht nur geschaffen und geformt werden, sondern auch belebt. Zuerst hat Gott nämlich den Menschen geformt, dann hauchte er in sein Angesicht den Atem des Lebens, und so wurde der Mensch zum lebenden Wesen (Gen 2,7). Die Formung des Menschen ist die moralische Erziehung, sein Leben aber ist die Liebe Gottes.

Sonntag, 29. Juli 2012

Goldener Brief 168


168. So beschwöre ich euch, Brüder, entschuldigen wir uns nicht, sondern klagen wir uns an und bekennen wir! Wenn wir bei den Menschen "den Schatten eines großen Namens" (Lukan, De bello civili I 135) und den Anschein einer gewissenpersönlichen Vollkommenheit erlangt haben, dann wollen wir vor Gott die Armut unseres Gewissenserkennen und niemals von der Wahrheit abweichen. Und die Wahrheit wird uns befreien (Joh 8,32).

Samstag, 28. Juli 2012

Goldener Brief 167


167. Eines freilich wäre notwendig (Lk 10,42). Wir aber, die wir weder auf das Eine ausgerichtet sind, noch uns im Vielen abmühen, zu welchem Stand werden wir gerechnet  werden? Hoffentlich zu dem, von dem der Apostel sagt:"Dem, der keine Werke tut, sondern an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube als Gerechtigkeit angerechnet nach dem Ratschluss der Gnade Gottes" (Röm 4,5 Vg). Würden wir doch wie jene Sünderin beurteilt werden, der viel vergeben wurde, weil sie viel geliebt hat (Lk 7,47)! Und glücklich die Seele, die nach diesem Urteil beim Herrn verdient hat, gerechtfertigt zu werden nach der Beurteilung derer, die den Namen des Herrn lieben (Ps 118, 132), so dass diese Seele jede Gerechtigkeit, die von Werken kommt, und jedes Vertrauen auf Verdienste aufgibt und in dem allein gerechtfertigt wird, dass sie viel geliebt hat. Denn in der Liebe zu dir, 0 Gott, ist für das liebende Gewissen deine Liebe selbst ein großer Lohn (Sir 12,2), dann aber das ewige Leben.

Freitag, 27. Juli 2012

Goldener Brief 166


166. Lasst uns also anbeten und niederfallen und weinen vor dir, der du uns geschaffen hast (Ps 94,6), der du uns infolge unserer offenkundigen Sünde in deinem verborgenen Gericht dazu geschaffen hast, dass wir vielleicht nicht können, weil wir es nicht wirklich wollen, oder dass wir, weil wir nicht wollten, als wir konnten, dann nicht können, wenn wir wollen. Lasst uns wenigstens nach der Strafe Adams unser Brot essen, wenn wir es schon nicht im Schweiße unseres Angesichts (Gen 2,17-19) können, so doch im Schmerz unseres Herzens, in den Tränen des Schmerzes, wenn schon nicht im Schweiße der Arbeit. Diesen großen Verlust unserer Berufung möge die Liebe und die Hingabe eines gedemütigten Gewissens ersetzen. Unsere Tränen mögen unser Brot sein bei Tag und bei Nacht, solange man unserer Seele sagt: "Wo ist dein Gott?" (Ps 41,4) Das heißt: Solange unsere Seele auf der Pilgerfahrt fern vom Herrn, ihrem Gott, ist, fern vom Lichte seines Angesichtes.

Donnerstag, 26. Juli 2012

Goldener Brief 165


165. Verzeih, Herr, verzeih! Wir entschuldigen, wir suchen Ausflüchte, aber niemand kann sich vor dem Licht deiner Wahrheit verbergen (Ps 18,7). Wie es die erleuchtet, die sich ihm zuwenden, so trifft es auch die, die sich abwenden. Nicht ist verborgen vor dir unser Gebein, das du geformt hast, verborgen vor den Menschen (Ps 138,15). Wir aber verbergen es vor uns selber. Denn kaum einer möchte in dem, was dich betrifft, erfahren, was er kann. Er kann es aber sehr leicht, sobald ihn, was das Fleisch oder die Welt betrifft, entweder die Furcht bedrängt oder die Begierde zieht. Aber wenn wir auch unwissende Menschen täuschen, so gestatte nicht, dass wir uns selbst täuschen, indem wir gleichsam dich täuschen wollen. Wir arbeiten nicht, weil wir entweder nicht können oder weil es uns scheint, dass wir nicht können, oder weil wir infolge der Gewohnheit des Nichtstuns und des Vergnügens uns zur Arbeit unfähig gemacht haben.
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