Sonntag, 30. September 2012

Goldener Brief 221

221. Weil die Tugend aber eine Sache der Natur ist, kommt sie nicht immer ohne Mühe, wenn sie in die Seele kommt. Aber sie kommt an ihren eigenen Platz und sie bleibt dort in Treue. Die Natur kommt gut mit ihr aus, weil es für sie keine größere Belohnung gibt, als sich in Gott zu erkennen.

Samstag, 29. September 2012

Goldener Brief 220

220. Dennoch kann die Bosheit eines jeden menschlichen Geisteserweicht werden, bevor sie hart wird. Aber auch, wenn sie hart geworden ist, braucht man nicht zu verzweifeln. Denn das ist der Fluch Adams (Gen 3,17-19), sowohl auf dem Felde unserer Arbeit, als auch auf dem Acker unseres Herzens oder Körpers, dass schädliche oder unnütze Pflanzen von selbst überall hervorkommen, während nützliche, notwendige und heilsame nur das Ergebnis unserer Arbeit sind.

Freitag, 28. September 2012

Goldener Brief 219

219. Aber kein Laster ist natürlich, während die Tugend für den Menschen natürlich ist. Dennoch pflegt die Gewohnheit eines verdorbenen Willens oder einer eingewurzelten Nachlässigkeit sehr viele Laster in einem vernachlässigten Gewissen gleichsam natürlich zu machen. Denn die Gewohnheit ist, wie die Philosophen sagen, eine zweite Natur.

Donnerstag, 27. September 2012

Goldener Brief 218

Die schlechten Gewohnheiten


218. Sie fürchten aber mehr die lasterhaften Begierden in sich selbst als eine Bedrohung, die von außen kommt; mehr die Ansteckung als die Bosheit. Wie nämlich die Tugenden manchmal durch große Mühe und ausdauernden Eifer die Gefühle des Menschen bestimmen und ihm einen guten Geist geben, so werden die geringsten Fehler bei Gelegenheit einer etwas freizügigen Nachlässigkeit zum Sauerteig und werden gleichsam natürlich.

Mittwoch, 26. September 2012

François-Marie Velut als Prior von Portes 2001

Dom François-Marie Velut

„Nichts bringt uns den Menschen näher als die Einsamkeit.“


Als Dom François-Marie Velut, Prior der Kartause von Portes wurde, gab er der Zeitschrift Voix de l’ Ain ein Interview. Das Gespräch führte Chantal Lajus, von der auch dieses Foto stammt. – 28. September 2001


Michael Velut stammt aus der Champagne. Seine Kindheit verbrachte er im kleinen Seminar von Troyes, studierte an der Sorbonne und am Katholischen Institut von Paris und erwarb einen Magisterabschluss im Fach Philosophie („Der Begriff der Person im christologischen Streit des 4. und 5. Jahrhunderts“). Er verbrachte als Frere Michel 19 Jahre in einer anderen religiösen Gemeinschaft, bevor er 1989 im Alter von 40 Jahren in das Noviziat der Großen Kartause eintrat und dort 1996 seine Feierliche Profess 1996 ablegte. Am 4. Juni 2001 kam François-Marie Velut, damals Vikar des Mutterhauses, in die Kartause von Portes. Die Mönche wählten ihn zu ihrem Prior. Er wurde damit Nachfolger von Dom Etienne Descamps, der dieses Amt 28 Jahre inne hatte.

Die Kartause von Portes

 Wie haben Sie Ihre Wahl aufgenommen?
Mit viel Furcht…aber am Ende gab es genug Zeichen, die den Willen Gottes erkennen ließen. Ich musste nur noch akzeptieren. Als Prokurator des Ordens kenne ich alle Häuser ein bisschen und die kanonischen Visitationen, die alle zwei Jahre statt finden, haben mir tiefgehende Einblicke in die Erwartungen jedes Einzelnen gewährt.

In der Kirche herrscht ein großer Priestermangel. Hätten Sie nicht auf andere Weise nützlicher sein können?
Für mich war der Wunsch sehr stark, von Nutzen für die Kirche und andere Menschen zu sein. Das Apostolat übt ebenfalls eine große Anziehung auf mich aus. Um das zu verstehen, muss man sich den Plan des Glaubens vergegenwärtigen. Andernfalls bin ich mir bewusst, dass meine Aussage angesichts des Priestermangels schockieren kann. Dessen sind wir uns alle bewusst. Was für mich viel stärker wog, ist die Selbstaufgabe für Gott. Diese Wahl hat keinen Sinn, wenn man sie nicht im Glauben verortet und wenn man nicht an den Wert des Gebets und ein aufgeopfertes Leben für Gott glaubt. Wir fühlen uns als Mitglieder einer Familie, an unserem Platz in der Kirche. Uns ist bewusst, dass Christus durch andere handelt, durch die Menschen, die sich dem Apostolat hingeben oder dem Kontakt mit dem Leiden. Jeder nach seiner Rolle.

Sie als Kartäuser wenden sich ganz Christus zu, sie  leben in Kontemplation seiner Werke. Wie können Sie nicht revoltieren gegen das Böse, gegen das Leiden, die Kriege, die die Welt entzweien, gegen Terrorakte?
Diese Frage stellt die ganze Welt. Für uns Christen bedeutet sie eine Auseinandersetzung mit der menschlichen Freiheit. Es ist nicht Gott, der das alles will. Das alles ist Teil seines großen Liebesplans, der die Freiheit des Menschen auf eine fast skandalöse Weise respektiert. Hat er nicht seinen Sohn geopfert? Dieser Respekt vor der menschlichen Freiheit ist ein Geheimnis der leidenschaftlichen Liebe für den Menschen, ein Geheimnis, dass uns alle in den Schatten stellt. Wir glauben, dass das ewige Leben jedes Menschen für Gott mehr Bedeutung hat als das irdische Leben und dass das Leiden, wenn es ein Weg des Heils ist, einen Sinn hat. Aus allem Schlechten kann etwas größeres Gutes entstehen. Aus menschlicher Sicht kann das, was ich hier sage, Wut auslösen. Das Böse, das Leiden sind auch Gelegenheiten der Bewältigung, der Liebe, der Großzügigkeit, der Hingabe, der Solidarität, der universellen Brüderlichkeit. Diese Antwort auf das Böse durch das Gute, das ist das Werk der Gnade Gottes. Diese Akte stellen jedes menschliche Wesen vor seine eigene Zerbrechlichkeit, seine eigene Verantwortung.

Sie bereiten sich vor, die Neunhundertjahrfeier des Todes des Hl. Bruno, Ihres Gründers, zu feiern: welche Bedeutung messen Sie diesem Gedenken bei?
Wir feiern den 6. Oktober, das ist der Tag der Geburt Brunos im Himmel, sein Eintritt in das ewige Leben. Das ist für uns die Gelegenheit, uns auf unsere Wurzeln zu besinnen, zu ergründen, was wir ihm verdanken: das Charisma unserer eigenen Berufung im Innersten der heutigen Kirche, diese Lebensart, die er begründet hat und die fortlebt im Laufe der Jahrhunderte. Er ist unser Vater, unser Gründer, unser Vorbild, unser Lehrer. Er hat uns das Beispiel der totalen Entsagung gegeben: als er herangereift war, entschied er sich, die irreführenden Vergnügungen und den vergänglichen Reichtümern der flüchtigen Welt aufzugeben, um sich auf die Suche nach Gott zu machen. Er nimmt davon Abstand, Erzbischof von Reims zu werden und wird stattdessen Eremit. Er gibt uns das Beispiel eines heldenhaften Gehorsams, als er auf den Ruf des Papstes hört – auf die Gefahr hin, dass sich seine Glaubensbrüder zerstreuen. Er zeigt uns die vollständige Gehorsamkeit im Geiste als er die Position des Erzbischofs von Reggio ablehnt. Seine Worte, sein Beispiel sprechen uns im Alltäglichen unseres Lebens an: sie können eine Ermutigung sein, unseren Weg in Momenten der Prüfungen, des Zögerns, der Versuchungen weiterzuverfolgen…Inspiration, um noch weiter zugehen in unserer radikalen Hingabe an den Herrn. Wissen Sie, wir sind keine Übermenschen, wir haben Fehler, wir sind nichts als demütige Christen. Die Einsamkeit und das Einüben der Wüste bringen uns den Menschen viel näher.

[aus: Voix de l’Ain 28. September (Archivphotos von 2001 / Chantal Lajus)]

QUELLE
Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...