Montag, 28. Februar 2011

Gott schauen, 26

14.  Wie diese Stufen zusammenhängen

1
Aus all dem können wir schließen, dass die Lesung ohne Meditation dürr ist, die Meditation ohne die Lesung in die Irre geht, das Gebet ohne die Meditation lau und die Meditation ohne Gebet unfruchtbar ist. Das eifrige Gebet erlangt die Kontemplation, aber die Gabe der Kontemplation ohne Gebet wäre eine seltene Ausnahme oder grenzte an ein Wunder. Der Herr, dessen Macht unermesslich ist und dessen Barmherzigkeit all seine Werken umfängt, kann freilich aus Steinen Kinder Abrahams erweckten, in dem er raue und widerspenstige Herzen zum Guten bewegt, und als Wunder seiner Gnade "den Stier bei den Hörnern packt", wie man im Volksmund sagt, das heißt, in die Seele einkehrt ohne gerufen worden zu sein und sich ihr schenkt ohne gesucht zu sein. Wenn dies tatsächlich manchmal der Fall ist, wie wir es bei Paulus und einigen anderen lesen, so dürfen wir deshalb doch nicht vermessentlich solche Gnaden erwarten und Gott nicht versuchen. Vielmehr müssen wir einfach tun, was von uns abhängt: Im Gesetz des Herrn meditieren und ihn bitten, er selber möge unserer Schwachheit zu Hilfe kommen und unser Elend ansehen. So hat es ja selber gelehrt, als er sagte: "Bittet, dann wird  euch gegeben, sucht, dann werdet ihr finden, klopft an, dann wird euch geöffnet" (Mt 7,7). Denn hier auf Erden "wird dem Himmelreich Gewaltangetan, und die Gewalttätigen reißen es an sich" (Mt11,12).

Sonntag, 27. Februar 2011

Marienau - spaciamentum

Wöchentlicher Spaziergang der Mönche der Marienau

Marienau, Spaziergang - (Geo, 3/87)

Gott schauen, 25

13. Wie diese Stufen zusammenhängen

3
Diese Zustimmung verlangt der Herr von der Samariterin (vgl. Joh 4,7ff), als er ihr sagte: „Geh, ruf deinen Mann“, das heißt: „Ich will meine Gnade in dich ergießen, du aber gib mir deinen freien Willen.“
Er verlangte von ihr das Gebet: „Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.“
Als die Frau das gehört hatte, war sie wie durch eine Lesung belehrt und meditierte drauf  im Herzen, wie gut und nützlich es wäre, dieses Wasser zu bekommen.
Da entbrannte in ihr der Wunsch danach, und sie begann zu beten: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe!“ So hat sie also das göttliche Wort gehört, und die Meditation über dieses Wort bewog sie zum Beten.
Hätte sie sich gedrängt gefühlt zu beten wenn die Meditation sie nicht zuerst entflammt hätte?
Und was hätte ihr die Meditation genützt, wenn sie danach nicht gebetet hätte, um die Güter zu erlangen, die ihr als so begehrenswert erschienen waren?
Damit also die Meditation fruchtbar sei, muss ihr das eifrige Gebet folgen, und daraus ergibt sich wie eine natürliche Folge die Wonne der Kontemplation.

Samstag, 26. Februar 2011

Gott schauen, 24

13. Wie diese Stufen zusammenhängen
1
2
Ebenso, was nützt es dem Menschen, in der Meditation zu erkennen, was seine Pflicht ist, wenn wir nicht im Gebet die Kraft erflehen, sie mit der Gnade Gottes erfüllen zu können? Denn „jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben, vom Vater der Gestirne“ (Jak 1,17), ohne den wir nichts vollbringen können. Er ist es ja, der in uns wirkt, freilich nicht ganz ohne unser Zutun, denn „wir sind Gottes Mitarbeiter“ (1 Kor 3,9), wie der Apostel sagt. Gott will, dass wir das Unsere beitragen, ihm die geheime Kammer unseres Willens öffnen und ihn einlassen, wenn er an der Tür steht und anklopft.

Freitag, 25. Februar 2011

Gott schauen, 23

13. Wie diese Stufen zusammenhängen

1
Diese Stufen hängen durch ihre gegenseitigen Dienste so eng zusammen, dass die ersten wenig oder gar nichts nützen ohne die nachfolgenden und dass die nachfolgenden selten oder nie ohne die vorhergehenden erreicht werden. Was hilft es denn, die Zeit mit langen Lesungen zuzubringen, das Leben und die Schriften der Heiligen durchzublättern, ohne durch Kauen und Widerkäuen die Kraft daraus zu ziehen, die dann bis auf den Herzensgrund dringt, so dass wir uns diese Lesung aneignen, unseren Seelenzustand daraus erkennen und uns bemühen, die Werke jener nachzuahmen, deren Leben wir gerne Lesen? Andererseits aber, wie können wir darüber nachdenken, wie können wir vermeiden, durch falsches und unnützes Meditieren die Grenzen zu überschreiten, die uns von den heiligen Vätern gesetzt worden sind, wenn wir nicht zuvor durch Lesung oder durch Belehrung ermahnt wurden? Denn die Belehrung gilt zu viel wie die Lesung, so dass wir nicht nur von Lesung sprechen, wenn wir für uns selbst oder für andere gelesen haben, sondern auch, wenn wir von einem Meister belehrt worden sind.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Gott schauen, 22

1.      Zusammenfassung

Fassen wir das Gesagte zum besseren Verständnis kurz zusammen. Wie die angeführten Beispiele gezeigt haben, kannst du sehen, wie die verschiedenen Stufen unserer Leiter miteinander in Verbindung stehen: die eine folgt auf die andere, nicht nur zeitlich, sondern auch der Ursache nach. Zuerst kommt die Lesung, gleichsam als Fundament;
sie bietet den Stoff dar und führt uns zur Meditation.
Die Meditation erwägt sorgfältig, worauf es ankommt;
sie gräbt, stößt auf den Schatz und zeigt ihn uns.
Das Gebet erhebt sich mit allen Kräften zum Herrn
und erfleht den ersehnten Schatz,
die Wonne der Kontemplation.
Die Kontemplation endlich ist der Lohn
für die Mühen der ersten Stufen;
sie berauscht die dürstende Seele
mit dem Tau der himmlischen Seligkeit.

Die Lesung ist also eine äußere Übung,
die Meditation eine innere Verstandestätigkeit.
Das Gebet ist ein Verlangen,
die Kontemplation aber überschreitet alles Fühlen und Wissen.

Die erste Stufe ist die der Anfänger,
die zweite die der Fortschreitenden,
die dritte der Eifrigen,
die vierte der Seligen.

Mittwoch, 23. Februar 2011

Kartäuserbrot

Gesegnet sei dieses Brot - und alle die davon essen!

Gott schauen, 21

Wie klug sich die Seele nach der gnadenvollen Ankunft des Bräutigams verhalten soll

Aber nimm dich in acht, o Braut: wenn dein Bräutigam sich auch entfernt, so geht er nicht weit weg; und wenn du ihn nicht mehr siehst, so schaut er doch immerfort auf dich. Er ist „innen und außen voller Augen“ (Offb 4,8). Du kannst seinem Blick niemals entgehen. Er umgibt dich auch mit seinen Boten, den himmlischen Geistern, die sehr kluge Beobachter sind, um zu sehen, wie du dich während der Abwesenheit des Bräutigams verhältst. Sie klagen dich an, wenn sie irgendwelche Zeichen von Leichtfertigkeit oder Zerstreuung an dir bemerken.

Er ist ein „eifersüchtiger Bräutigam“:
wenn du eine andere Liebe zulässt,
wenn du einem anderen mehr zu gefallen suchst,
verlässt er dich sofort und schenkt anderen treuen Bräuten seine Liebe.
Er ist anmutig, edel, reich, der Schönste aller Menschenkinder;
darum will er eine ebenso schöne Braut haben.
Wenn er einen Makel oder eine Runzel an dir sieht,
wendet er seinen Blick sogleich ab,
denn er kann nichts Unreines ertragen.
Sei also keusch, bescheiden und demütig,
damit du verdienst,
häufig von deinem Bräutigam besucht zu werden.

Ich fürchte, dich durch dieses Gespräch zu lange aufgehalten zu haben. Aber das Thema war so reichhaltig und fruchtbar, dass ich mich von seinen geheimnisvollen Reiz fortreißen ließ.

Dienstag, 22. Februar 2011

Gott schauen, 20

Wie die Gnade, die sich eine Zeitlang verbirgt, zu unserem Besten wirkt
(d)
So scheint er über uns mit ausgebreiteten Flügeln zu schweben, 
als wolle er uns auffordern, selber zu fliegen. 
Es ist, als ob er sagte: „Ihr habt nun ein wenig von meiner Süßigkeit verkostet. 
Wollt ihr vollkommen gesättigt werden? 
Eilt mir nach, folgt dem Duft meiner Wohlgeruchs,
erhebt eure Herzen dorthin, wo ich bin: zur Rechten meines Vaters. 
Da werdet ihr mich sehen, nicht mehr im Spiegel und Gleichnis, 
sondern von Angesicht zu Angesicht, 
und euer Herz wird sich freuen, 
und diese Freude wird euch niemand nehmen“ (vgl. 1 Kor 13,12 und Joh 16,22).

Montag, 21. Februar 2011

Gott schauen, 19

Wie die Gnade, die sich eine Zeitlang verbirgt, zu unserem Besten wirkt
(c)
Außerdem, wenn uns dieser Trost niemals fehlte – obwohl er 
im Vergleich mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar wird, 
nur ein einziger und blasser Schatten ist -, 
so würden wir vielleicht glauben, wir hätten hienieden eine bleibende Stätte 
und würden die künftige nicht mehr suchen (vgl. Hebr 13,14). 
Damit wir also die Verbannung nicht für die Heimat 
und das Unterpfand nicht für den vollen Besitz halten,
kommt und geht der Bräutigam und bringt bald Trost,
bald verwandelt er unser Ruhebett in ein Schmerzenslager.
Einen Augenblick lässt er uns seine Süßigkeit verkosten 
und verschwindet, ehe wir noch 
den vollen Genuss erlangt haben.

Sonntag, 20. Februar 2011

Gott schauen, 18

Wie die Gnade, die sich eine Zeitlang verbirgt, zu unserem Besten wirkt
(b)
Doch es ist eine Gnade, die der Bräutigam gewährt, 
wem er will und wann er will und auf die man keinen Erbanspruch hat. 
Ein bekanntes Sprichwort sagt: 
„Allzu große Vertrautheit führt zur Verachtung“. 
Der Bräutigam hat sich also zurückgezogen,
um nicht verachtet zu werden, wenn er zu lange verweilt, 
weil damit seine Abwesenheit umso größeres Verlangen nach ihm weckt.
Dieses Verlangen soll zu eifrigerer Suche anspornen, 
dann ist die Freude umso größer, 
wenn man ihn nach langem Suchen endlich gefunden hat.

Samstag, 19. Februar 2011

Volto Santo in der Marienau

Eine Gebetsnische in der Kartause Marienau.
Es hat mich sehr gefreut, 
auch an diesem gesegneten Ort das Volto Santo von Manoppello zu sehen.

Kartause Marienau, Foto P. Badde (001)

Gott schauen, 17

1.      Wie die Gnade, die sich eine Zeitlang verbirgt, zu unserem Besten wirkt
(a)
Fürchte aber nichts, o Braut, verzweifle nicht, 
glaube nicht, du seist verschmäht, 
wenn der Bräutigam sein Antlitz für kurze Zeit vor dir verbirgt. 
All das ist zu deinem Besten: sein Kommen und Gehen sind ein Gewinn für dich. 
Für dich ist er gekommen, für dich zieht er sich zurück. 
Zu deinem Trost ist er gekommen,
aus Klugheit hat er sich zurückgezogen, 
„damit du dich wegen der einzigartigen Gnade nicht erhebst“ (vgl. 2 Kor 12,7) 
und damit du nicht versucht wirst, deine Gefährten geringzuachten 
und seine beständige Nähe nicht der Gnade, 
sondern der Natur zuzuschreiben.

Freitag, 18. Februar 2011

Gott schauen, 16

1.      Wie die Gnade sich verbirgt

Wir haben uns nun schon lange bei dieser Rede aufgehalten. 
Denn es war gut, mit Petrus und Johannes hier oben zu sein, 
die Herrlichkeit des Bräutigams zu schauen, 
bei ihm zu verweilen und, wenn er es gewollt hätte, 
nicht zwei oder drei, sondern eine einzige Hütte zu bauen, 
um dort beisammen zu sein und dieselbe Freude zu genießen (vgl. Mt 17,4). 
Doch schon ruft der Bräutigam aus: 
„Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an!
Du hast jetzt das Licht der Gnade und den ersehnten Besuch erhalten“. 
Er segnet dich, er lähmt dir das Hüftgelenk, 
er ändert deinen Namen Jakob in Israel um (vgl. Gen 32,25-29).
Dann zieht sich der Bräutigam, 
so lang ersehnt und so schnell entschwunden, eine Zeitlang zurück.
Er verbirgt sich, entzieht uns seinen Anblick und zugleich die Wonnen der Kontemplation, 
doch bleibt er mit seiner Führung und seiner Gnade gegenwärtig.

Donnerstag, 17. Februar 2011

Gott schauen, 15

Die Anzeichen für das Kommen der Gnade
(c)
Doch wozu geben wir diese innersten Geheimnisse preis? 
Warum versuchen wir, mit gewöhnlichen Worten 
unaussprechliche seelische Erlebnisse wiederzugeben? 
Wer sie nicht erfahren hat, wird sie nicht verstehen.
Man muss sie im Buch der Erfahrungen lesen, 
wo sie viel besser beschrieben sind, und muss 
von der göttlichen Salbung belehrt werden. 
Sonst wird der Buchstabe dem Leser keinen Nutzen bringen. 
Eine bloße Lesung dieses Briefes wäre zu fade, 
wenn sie keine Erklärung fände, 
die nur das Herz geben kann, 
das den inneren Sinn erläutert.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Gott schauen, 14

Die Anzeichen für das Kommen der Gnade
(b)
O Herr Jesus! 
Wenn die Tränen, die der Gedanke an dich 
und die Sehnsucht nach dir hervorbringen, 
schon so beglückend sind, 
wie selig wird dann erst 
die klare Schau deines Wesens sein? 
Ist es Seligkeit, um dich zu weinen, 
wie groß wird die Seligkeit sein, 
dich zu besitzen!

Dienstag, 15. Februar 2011

Marienau - Kirche

Läuten zur Vesper

Wenn die Kartäuser die Kirche betreten
übergeben Sie das Glockenseil
an den jeweils nächsten eintretenden Mönch.

Marienau, Foto P. Badde (005)

Gott schauen, 13

1.      Die Anzeichen für das Kommen der Gnade
(a)
Aber wie sollen wir erkennen, dass du so Großes an uns wirkst? 
Welches ist das Zeichen deiner Ankunft? 
Sind nicht Seufzer und Tränen die Vorboten und Zeugen 
dieses Trostes und dieser Freude? 
Wenn das so ist, dann ist es ein seltsamer Widerspruch, 
ein ungewöhnliches Anzeichen. 
Denn welche Beziehung besteht zwischen Trost und Seufzen, 
zwischen Freude und Tränen? 
Aber soll man überhaupt von Tränen sprechen und nicht vielmehr 
von dem Überfluss des inneren Taus, 
der von oben eingegossen wurde und sich nun verströmt? 
Ist es nicht die Abwaschung des äußeren Menschen 
als Zeichen der inneren Reinigung? 
Bei der Kindertaufe wird die Reinigung des inneren Menschen 
durch die äußere Abwaschung dargestellt und versinnbildet. 
Hier dagegen geht die innere Reinigung der äußeren voraus.
O glückselige Tränen, welche die inneren Makel abwaschen 
und die Brände löschen, die unsere Sünden entfacht haben!
„Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen!“ (Lk 6,21).
O Seele, erkenne an diesen Tränen deinen Bräutigam, 
umarme den Geliebten, berausche dich am Strom deiner Wonnen,
trinke dich satt an der tröstenden Brust 
und labe dich an ihrem Reichtum (vgl. Jes 66,11). 
Diese Seufzer und Tränen sind die wunderbaren Geschenke des Bräutigams;
in ihnen reicht er dir den gefüllten Becher und das Brot, das dein Herz stärkt, 
süßer als Honig und Honigseim.

Montag, 14. Februar 2011

Gott schauen, 12

1.      Die Wirkungen der Kontemplation

Durch solche glühenden Worte entbrennt die Seele immer mehr im Verlangen, 
tut ihre Liebe kund und ruft in beständigem Flehen ihren Bräutigam herbei. 
Der Herr aber, dessen „Augen auf die Gerechten blicken und 
dessen Ohren ihr Schreien hören“ (Ps 34,16), wartet nicht einmal, 
bis sie ihre Bitten ausgesprochen haben. 
Er unterbricht ihr Gebet und eilt der Seele, die ihn ersehnt, plötzlich entgegen. 
Er ist vom Tau himmlischer Süßigkeit benetzt und mit köstlichem Öl gesalbt. 
So erquickt er sie, stillt ihren Hunger und Durst und lässt sie das Irdische vergessen. 
Der Gedanke an ihn stärkt sie wunderbar, belebt sie 
und macht sie trunken und nüchtern zugleich. 
Und wie die Seele von sinnlicher Lust und Begierde so sehr gefesselt werden kann, 
dass sie den Gebrauch ihrer Vernunft verliert, so dass der Mensch gewissermaßen 
ganz fleischlich wird, so werden dagegen in der Kontemplation 
seine sinnlichen Begierden so sehr überwunden und verzehrt, 
dass das Fleisch dem Geist nicht mehr widerstreitet und der 
Mensch gewissermaßen durch und durch vergeistigt wird.

Sonntag, 13. Februar 2011

Gott schauen, 11


1.      Die Rolle des Gebets

Die Seele begreift also, 
dass sie den ersehnten Genuss der Erkenntnis und der Erfahrung 
nicht aus eigener Kraft erlangen kann. 
Je höher sie sich erhebt, umso ferner erscheint ihr der Herr. 
Dann demütigt sie sich, nimmt ihre Zuflucht zum Gebet und ruft: 
Herr, nur die können dich schauen, die ein reines Herz haben. 
Ich suche in der Lesung und in der Meditation, 
was die wahre Herzensreinheit ist und wie man sie erlangen kann, 
damit ich dich wenigstens ein bisschen besser erkenne.
„Mein Herz denkt an dein Wort: Sucht mein Angesicht! 
Dein Angesicht, Herr, will ich suchen“ (Ps 27,8).
Lange habe ich im Herzen meditiert, und in meiner Meditation hat sich 
ein gewaltiges Feuer entzündet, die Sehnsucht, dich immer mehr zu erkennen. 
Wenn du mir das Brot der Heiligen Schrift reichst, 
erkenne ich dich schon an diesem Brotbrechen (vgl. Lk 24,35), 
doch je mehr ich dich kenne, umso mehr möchte ich dich erkennen,
nicht nur unter der äußeren Hülle des Buchstabens, 
sondern in der beseligenden Erfahrung. 
Nicht wegen meiner Verdienste erbitte ich diese Gabe, sondern 
aufgrund deiner Barmherzigkeit. 
Ich bekenne, dass ich sündig und unwürdig bin,
„aber selbst die Hündlein bekommen von den Brotresten, 
die vom Tisch ihrer Herren fallen“ (Mt 15,27). 
Gib mir, Herr, das Unterpfand des verheißenen Erbes,
gib mir wenigstens einen Tropfen des himmlischen Taus, 
um meinen Durst zu stillen, 
denn ich brenne vor Liebe.

Samstag, 12. Februar 2011

Gott schauen, 10

Die Rolle der Meditation

(d)
Er allein kann die wahre Weisheit schenken, 
jenes Verkosten des Wissens, 
das die Seele erfreut und stärkt 
und sie mit unaussprechlicher Wonne erfüllt. 
Von dieser Weisheit steht geschrieben: 
„In eine Seele, die auf Böses sinnt, kehrt die Weisheit nicht ein“ (Weish 1,4). 
Sie geht allein von Gott aus. Der Herr hat vielen das Amt verliehen zu taufen, 
aber sich selber die Vollmacht und die Autorität vorbehalten, 
durch die Taufe die Sünden zu vergeben. 
Darum sagt Johannes, um die Einzigartigkeit der Taufe Jesu hervorzuheben:
„ Er ist es, der … tauft“ (Joh 1,33). Ebenso kann man sagen: 
Er allein gibt die köstliche Weisheit und macht die Seele fähig, sie zu genießen. 
Das Wort Gottes wird vielen angeboten, 
aber nur wenige empfangen die Weisheit. 
Der Herr schenkt sie, wem er will und wie er will.

Freitag, 11. Februar 2011

Nach dem Verscheiden des Kranken, 2

Aus den Kartäuser-Statuten


Für jede Person unseres Ordens, auch für einen Novizen, wird nach seinem Tod innerhalb des ganzen
Ordens eine Messe von jedem Priester gefeiert [...]. Die Nichtzelebranten aber opfern eine Messe und eine Kommunion auf.
Marienau, Auf dem Weg zur Grabstätte (Aachener Kirchenzeitung 50/1995)
Außerdem feiern oder opfern die Mönche, auch die Novizen, die im Haus wohnen, in dem jemand stirbt, sowie die Professen, Donaten und Novizen des Hauses, von dem der Verstorbene Professe, Donat oder Novize ist, wo immer sie weilen, eine zweite Messe auf und beten eine Agenda außerhalb des Konventes [...]. Die Brüder können für diese Agenda nach Belieben auch dreißig Pater noster und Ave Maria mit Gloria und Veniam in folgender Weise beten: zehnmal Pater und Ave, dann Gloria und Veniam; das Ganze wird dreimal wiederholt.
Marienau, Bevor der Leichnam mit Erde bedeckt wird (Aachener Kirchenzeitung 50/1995)

Wir raten, die gleichen Fürbitten für jene Personen des Ordens zu verrichten, mit denen wir zusammenlebten. Überdies wird im Sterbehaus des Verstorbenen und in seinem Professhaus beziehungsweise Donationshaus ein eigenes Trizenarium gehalten […] und im Hauskalender ein immerwährendes Jahresgedächtnis eingetragen […].

Gott schauen, 9

Die Rolle der Meditation
(c)
Sie brennt vor Sehnsucht nach ihr,
findet aber in sich selber nichts, um sie zu erlangen. 
Je mehr sie danach sucht, umso größer wird ihr Durst,
je mehr sie darüber meditiert, umso größer wird ihr Schmerz. 
Denn sie sehnt sich nach der Beseligung, die in der Herzensreinheit liegt. 
Sie erkennt sie zwar in der Meditation, 
hat aber nicht einmal einen Vorgeschmack davon. 
Weder die Lesung noch die Meditation können sie diese Wonne verkosten lassen,
nur der Himmel kann sie geben. 
Böse und Gute lesen und meditieren, selbst die heidnischen Philisophen, 
die sich von der Vernunft leiten lassen, 
haben erkannt, wo das höchste Gut zu finden ist. 
Aber weil sie trotz dieser Erkenntnis Gott nicht als Gott verehren wollten 
und in ihrem Stolz sagten: „Durch unsere Zunge sind wir mächtig, 
unsere Lippen sind unsere Stärke. Wer ist uns überlegen?“ (Ps 12,5), 
verdienten sie nicht zu finden, was sie erahnt hatten. 
„Sie verfielen in ihrem Denken der Nichtigkeit“ (Röm 1,21)
„und waren am Ende mit all ihrer Weisheit“ Ps 107,27), 
denn sie schöpften aus den menschlichen Wissenschaften und 
nicht aus dem Geist der Weisheit.

Donnerstag, 10. Februar 2011

Nach dem Verscheiden des Kranken, 1

Aus den Kartäuser-Statuten

Wenn einer von uns aus diesem Leben geschieden ist, werden sofort von den Anwesenden, [...] folgende fünf Psalmen gebetet: Verba mea - Domine, ne in furore I - Dilexi - Credidi - De profundis. Es folgt ein Gebet in Stille, und der Priester fügt den Versikel A porta inferi und die Ora­tion bei.

Anschließend verharren die Anwesenden im Gebet, bis zur passenden Zeit der Konvent herbeigerufen werden kann.
Marienau, Aufbahrung in der Kirche (Aachener Kirchenzeitung 50/1995)
Der Verstorbene wird bekleidet, auch mit der Ku­kulle; [...]. So bekleidet, wird er auf eine Bahre gelegt und mit einem geziemenden Tuch zuge­deckt.

Von der Stunde an, in der der Kranke verstorben ist, bis zum Begräbnis sollen vom Vorsteher Mönche bestimmt werden, die abwechselnd zu zweit [...] am Leichnam Wache halten, wobei sie bei ihm Psalmen und Gebete verrichten.

Gott schauen, 8

Die Rolle der Meditation
(b)
Nachdem man über die Herzensreinheit nachgedacht hat, 
meditiert man weiter, welcher Lohn ihr verheißen ist: 
wie herrlich und beseligend ist es, das ersehnte Antlitz Gottes zu schauen, 
das schöner ist als alle Gesichter der Menschen. 
Der Herr ist nicht mehr verunstaltet und erbärmlich, 
wie seine Mutter, die Synagoge, ihn zugerichtet hatte, 
sondern mit dem Gewand der Unsterblichkeit bekleidet 
und mit dem Diadem geschmückt, das sein Vater ihm 
am Tag seiner glorreichen Auferstehung verliehen hat, an jenem
„Tag, den der Herr gemacht hat“ (Ps 118,24). 
Und die Seele meditiert, wie diese Schau alles Verlangen stillen wird, 
wie der Prophet sagt:
„Ich will mich satt sehen an deiner Gestalt, wenn ich erwache“ (Ps 17,15).

Sieh, welch überströmender Wein aus der unscheinbaren Traube quillt, 
welch ein Feuer aus dem Funken auflodert! 
Wie hat sich das kleine Metallstück auf dem Amboss der Meditation 
ausgedehnt, nämlich der kurze Satz: 
„Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen“. 
Und wie viel mehr würde es sich noch ausweiten, 
wenn es von einer geschickten Hand bearbeitet würde! 
Ja, ich sehe, dass der Brunnen tief ist, aber da ich noch ein unerfahrener Neuling bin, 
habe ich nur diese wenigen Tropfen aus ihm schöpfen können.

Von diesen Fackeln entzündet und von diesem Verlangen erfüllt, 
beginnt nun die Seele, nachdem das Alabastergefäß zerbrochen ist, 
dessen Wohlgeruch zu spüren. Sie verkostet ihn noch nicht, 
aber ahnt schon etwas von dem Duft.
Daraus schließt sie, welche Wonne es wäre, diese Reinheit zu besitzen, 
da schon die Meditation ihr so beglückend erschien. 
Aber was soll sie tun?
Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...