Samstag, 12. Juli 2014

Bruno der Kartäuser - Brief an Radolf, Propst in Reims (5/15)

Liebesvereinigung wird in der Heiligen Schrift dargestellt durch die Gestalten 
der Rachel (Liebe, Schönheit), die der Lea (Fruchtbarkeit) vorgezogen wird;
der Maria von Bethanien (Kontemplation), die der Martha, (caritative Tätigkeit) vorgezogen wird;
der Sunamitin (keusche Liebe zur Weisheit), die dem eitlen Ruhm, Reichtümern und Vergnügungen vorgezogen wird.

-VIII- Wer sich hier befindet, ist gleich Rachel, die mit ihrer schönen Gestalt und all ihrem Liebreiz von Jakob mehr geliebt wurde, auch wenn sie ihm weniger Söhne gebar als Lea, die fruchtbarer war und doch halb blind (Gen 29,17f). Kein Wunder, denn die Kinder der Beschaulichkeit [deren Symbol Rachel ist] sind weniger zahlreich als die Kinder tätigen Lebens [für das Lea steht]. Und dennoch wurden Josef und Benjamin [die Kinder Rachels] von ihrem Vater mehr geliebt als ihre Brüder. Wer hier wohnt, besitzt „jenen besten Teil, den Maria erwählt hat und der ihr nicht genommen wird" (Lk 10,42).

Hier findet man gleichsam jene überaus schöne Sunamitin, die als einzige aus ganz Israel dazu erfunden war, jungfräulich den greisen David zu hegen (vgl. 1 Kön 1,3f). Mögest auch Du, lieber Bruder, einzig die Sunamitin [Symbol gottgeweihten Lebens] lieben, auf dass Du durch ihre Umarmungen in göttlicher Liebe erglühst. Wenn diese Liebe einmal in Dir Fuß gefasst hat, dürfte weltliche Ehre, diese trügerische und schmeichlerische Verführerin, Dir wohl zuwider sein und Du vermöchtest ganz leicht den Reichtum mit allen Beunruhigungen und Sorgen, die er mit sich bringt, aufgeben. Ja, Du würdest Ekel empfinden vor all den Genüssen, die für Körper und Geist ganz und gar schädlich sind.


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