So
beginnt also die Meditation.
Sie
bleibt nicht beim Äußeren stehen und hält sich nicht an der Oberfläche auf.
Sie
dringt in die Tiefen ein, geht auf den Grund und erwägt alle Einzelheiten.
Sie
bemerkt sorgfältig, dass der Herr nicht gesagt hat:
„selig
sind, die einen reinen Leib haben“,
sondern“
ein reines Herz“,
denn
es genügt nicht, unsere Hände von bösen Taten rein zu halten,
wenn
nicht der Geist von schlechten Gedanken gereinigt ist.
Der
Prophet bestätigt es mit seiner Autorität:
„Wer
darf hinaufziehen zum Berg des Herrn?
Wer
darf stehen an der heiligen Stätte?
Der
reine Hände hat und ein lauteres Herz“ (Ps 24,3-4).
Die
Meditation bedenkt ferner,
wie
inständig der Prophet diese Herzensreinheit im Gebet erfleht hat:
„Hätte
ich Böses im Sinn gehabt, dann hätte der Herr mich nicht erhört“ (Ps 66,18).
Sie
erwägt, wie gewissenhaft der selige Ijob darauf bedacht war,
die
Reinheit zu bewahren, denn er sagte:
„Einen
Bund schloss ich mit meinen Augen,
nie
eine Jungfrau lüstern anzusehen“ (31,1).
So
sehr nahm dieser heilige Mann sich in Zucht,
dass
er die Augen schloss, um
nicht von einem Anblick überrascht zu werden,
der
ihn gegen seinen Willen zu
bösen Begierden reizen könnte.
Nachdem
man über die Herzensreinheit nachgedacht hat, meditiert
man weiter, welcher Lohn ihr verheißen ist: wie
herrlich und beseligend ist es, das ersehnte Antlitz Gottes zu schauen, das
schöner ist als alle Gesichter der Menschen.
Der
Herr ist nicht mehr verunstaltet und erbärmlich, wie
seine Mutter, die Synagoge, ihn zugerichtet hatte, sondern
mit dem Gewand der Unsterblichkeit bekleidet und
mit dem Diadem geschmückt, das sein Vater ihm am Tag
seiner
glorreichen Auferstehung verliehen hat, an jenem „Tag, den der Herr gemacht hat“ (Ps 118,24).
Und
die Seele meditiert, wie diese Schau alles Verlangen stillen wird, wie
der Prophet sagt: „Ich
will mich satt sehen an deiner Gestalt, wenn
ich erwache“ (Ps 17,15).
Sieh,
welch überströmender Wein aus der unscheinbaren Traube quillt,
welch
ein Feuer aus dem Funken auflodert!
Wie
hat sich das kleine Metallstück auf dem Amboss der Meditation ausgedehnt,
nämlich
der kurze Satz: „Selig, die ein reines Herz haben, denn
sie werden Gott schauen“. Und wie viel mehr würde es sich noch ausweiten, wenn
es von einer geschickten Hand bearbeitet würde!
Ja,
ich sehe, dass der Brunnen tief ist, aber da ich noch ein unerfahrener Neuling
bin, habe
ich nur diese wenigen Tropfen aus ihm schöpfen können.
Von
diesen Fackeln entzündet und von diesem Verlangen erfüllt, beginnt
nun die Seele, nachdem das Alabastergefäß zerbrochen ist, dessen
Wohlgeruch zu spüren.
Sie
verkostet ihn noch nicht, aber ahnt schon etwas von dem Duft.
Daraus
schließt sie, welche Wonne es wäre, diese Reinheit zu besitzen,
da
schon die Meditation ihr so beglückend erschien.
Aber
was soll sie tun?
Sie
brennt vor Sehnsucht nach ihr, findet aber in sich selber nichts,
um
sie zu erlangen. Je mehr sie danach sucht, umso größer wird ihr Durst,
je
mehr sie darüber meditiert, umso größer wird ihr Schmerz.
Denn
sie sehnt sich nach der Beseligung, die in der Herzensreinheit liegt.
Sie
erkennt sie zwar in der Meditation, hat aber nicht einmal einen Vorgeschmack
davon. Weder die Lesung noch die Meditation können sie diese Wonne verkosten
lassen, nur
der Himmel kann sie geben.
Böse
und Gute lesen und meditieren, selbst die heidnischen Philisophen, die
sich von der Vernunft leiten lassen, haben erkannt, wo
das höchste Gut zu finden ist.
Aber
weil sie trotz dieser Erkenntnis Gott nicht als Gott verehren wollten
und
in ihrem Stolz sagten:
„Durch
unsere Zunge sind wir mächtig, unsere Lippen sind unsere Stärke.
Wer ist uns überlegen?“ (Ps 12,5),
verdienten
sie nicht zu finden, was sie erahnt hatten.
„Sie
verfielen in ihrem Denken der Nichtigkeit“ (Röm 1,21)
„und
waren am Ende mit all ihrer Weisheit“ Ps 107,27),
denn
sie schöpften aus den menschlichen Wissenschaften und nicht
aus
dem Geist der Weisheit.
Er
allein kann die wahre Weisheit schenken, jenes
Verkosten des Wissens, das die Seele erfreut und stärkt und
sie mit unaussprechlicher Wonne erfüllt.
Von
dieser Weisheit steht geschrieben:
„In
eine Seele, die auf Böses sinnt, kehrt die Weisheit nicht ein“ (Weish 1,4).
Sie
geht allein von Gott aus. Der Herr hat vielen das Amt verliehen zu taufen, aber
sich selber die Vollmacht und die Autorität vorbehalten, durch
die Taufe die Sünden zu vergeben.
Darum
sagt Johannes, um die Einzigartigkeit der Taufe Jesu hervorzuheben:
„Er ist es, der … tauft“ (Joh 1,33). Ebenso kann man sagen:
Er
allein gibt die köstliche Weisheit und macht die Seele fähig, sie zu genießen.
Das
Wort Gottes wird vielen angeboten, aber
nur wenige empfangen die Weisheit.
Der
Herr schenkt sie, wem
er will und wie er will.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen