Mittwoch, 14. Oktober 2015

Der Weg der Gerechtigkeit

IL188-Z.18.2

Das tiefste Übel meiner Seele liegt also im Verstand, im Denken. Denn ich beurteile die Dinge unter dem Gesichtspunkt meines  Interesses oder meiner Lust. Ich sehe sie unter diesem Lichte, und weil ich sie so sehe, schätze ich sie gerade nach diesem Gesichtspunkt und handle danach. Die Handlung ist verdorben, der Wille ist verdorben, vor allem, weil der Verstand verdorben ist. Meine Handlungen hängen von meinen Neigungen, meine Neigungen von meinem Denken ab. Und sobald mein Denken falsch ist, sind auch meine Neigungen und Handlungen falsch. Sicher, sagt Pater Surin, kommen unsere Fehler fast alle von unsern verkehrten Urteilen und daher, dass wir es unterlassen, die geschaffenen Dinge nach ihrer ersten Aufgabe zu betrachten, wie es Pflicht der Kinder Gottes wäre (Surin, Grundlagen des geistlichen Lebens, 2. Buch, 2. Kap.).

„Der Weg der Gerechtigkeit," sagt der heilige Augustinus, „ist unser Weg. Wie aber sollte man ohne Licht auf diesem Weg nicht fallen? Deswegen ist die erste Notwendigkeit auf diesem Weg die, zu sehen. Die größte Angelegenheit auf diesem Weg ist die, zu sehen." (Augustinus, Tract. in Joan. 35,3). Wenn sehen die größte Notwendigkeit, wenn sehen die größte Angelegenheit ist, so ist nicht sehen das größte Unglück, nicht gut sehen die größte Gefahr. Mein größtes Übel besteht also für mich darin, nicht zu sehen oder sehr schlecht zu sehen.

(Dom François de Sales Polien, IL, 20151014)



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