Um
10 Uhr sitzen wir auf der Tribüne in der Kirche. Sie ist schmal und hoch. Eine
Scheidewand aus dunklem Holz teilt sie in den Raum für die Patres und in den
für die Brüder. Den Chor der Patres verbindet eine Gittertüre mit dem Raum -
halbwegs von der Tribüne überdeckt -, in dem die Brüder der heiligen Messe und
dem Offizium beiwohnen. Von unserm hohen Sitz aus übersehen wir die Kirche und
den uns fernen Hochaltar.
Die
weißen Patres kommen einzeln herein, verneigen sich vor dem Hochaltar, ziehen
nacheinander in Reihenfolge am Glockenstrang, welcher dem Nachfolgenden
übergeben wird und gehen dann an ihren Platz in den Chorstühlen.
Es
ist alles von einer strengen, herben Einfachheit. Das täglich gesungene Konvent-Hochamt
wird immer, ausnahmslos, nur von einem einzigen Priester zelebriert. In männlichem
Rhythmus vollklingender Stimmen geht der Psalmengesang. Das „Gloria Patri et
Filio et Spiritui sancto“ – „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen
Geiste“ ist majestätisch auf eine gedehnte, machtvolle Tonlage gesteigert. Die
Patres singen laut und kraftvoll den ursprünglichen Gregorianischen Gesang
immer ohne Orgelbegleitung.
Ich
zittere wegen der durchdringenden, eisigen Kälte und der überwältigenden Aufregung.
Ich sitze nieder und lausche tiefst verloren in einem neuen Wissen und so klar,
als ob ich erst jetzt wüßte, wer ich bin. Mein Hin-lauschen ist zum wortlosen
Beten geworden.
Hier
ist der Glaube keine ferne, verschwommene Erinnerung, kein süßes Träumen oder
ein duftiger Trostgedanke für schwache, empfindsame Seelen: Hier ist er die
Gegenwart in seiner Vollkraft. Was Jesus gesagt hat, ist hier zur unmittelbaren
Wirklichkeit geworden. Seine Worte handeln und leben in diesen Seelen ohne den
geringsten Vorbehalt oder angstvolle Zurückhaltung. Im ganzen Hochsinn und
Opfermut werden die Worte Jesu verstanden und gelebt: „Wer nicht allem entsagt,
was er besitzt, kann mein Schüler nicht sein.“ (Luk 14,33).
(Die Tage
und Nächte in der Kartause von La Valsainte.
Pieter Van
der Meer de Walcheren. Das weisse Paradies.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen