Und
in dieser Stille, da hinter der großen Eingangspforte und den Klostermauern,
wohnen die Kartäuserpatres und ihre Brüder. Sie haben sich nicht für eine kurze
Spanne Zeit in die Einsamkeit zurückgezogen, um während einiger Tage zu ihrem
wahren Selbst zu kommen und Gott zu suchen. Nein, sie stehen - wie die marmorne
Nadel eines Obelisken in die Jahrtausende - ihr ganzes Leben lang, alle Tage
und alle Nächte in der Gegenwart dieser Stille, der Stille des geistigen
Kosmos, die mich so beengt.
Mein
Kamerad hat angeläutet. Ein weißer Bruder, die kleine Laterne in der Hand,
schließt uns die enge Nebenpforte auf. Man erwartet uns. Es ist der 23.
Dezember.
Wir
schreiten über den innern Klosterhof, um den ringsum Gebäude stehen, ernst und
schweigend wie in der Eiswelt einer Polarnacht. Wie kleine Vöglein zirpt unter
dem Schritt unserer Füße der Schnee. Jetzt betreten wir einen kalten und
unbeleuchteten Klosterflügel, das Gästehaus. Die Fenster sind weiß, wie zu
Milchglas gefroren. Die Kälte legt ihre eisigen Hände auf mein Gesicht, so daß
ich erschauere, wie im Märchen die kleine Tai, als sie in den Eispalast der Schneekönigin
gekommen war.
Aber
das Herz friert hier nicht. Niemand versucht hier, wie mit Eisblöcken belastet,
das Wort Ewigkeit zu buchstabieren. Die hier sind, haben sie gefunden; denn
Gott hat die innersten Falten ihrer Seele mit weißem Feuer ausgeglüht und
gereinigt.
Der
Bruder Pförtner, dessen Antlitz ich jetzt beim matten Schimmer der Lampe sehen
kann: ein ruhiges Bartgesicht, aus dem zwei himmelsklare Kinderaugen leuchten,
hat uns dem Gastbruder zugeführt, der uns mit sanfter Stimme und vertrautem
Lächeln herzlich willkommen heißt.
Er
begleitet uns über breite, dunkle Treppen durch das hohe, eisigkalte Gebäude
nach dem kleinen Gastzimmer. Mir ist, als ob ich durch eine Eismine schreite,
in der kein Leben, auch kein blutwarmes, menschliches Leben, atmen kann. Einzig
die reinen Seelen, die auf den Gletschern des Geistes wie in einem
Gartenparadiese lustwandeln, können in dieser erbarmungslosen Kälte leben und
sich in ihr glücklich finden, weil sie sich in der unmittelbaren Wirklichkeit
der Gegenwart Gottes wissen.
Plötzlich
höre ich von überall her ein Rauschen, ein leises, unaufhörliches Rauschen wie
von Wasser, und dadurch wird die Stille noch tiefer.
Woher
kommt das seltsame Rauschen? frage ich.
Das
ist Wasser, wir müssen alle Wasserhähne in der Kartause wegen der Kälte Tag und
Nacht laufen lassen, antwortet mir lächelnd der Bruder, der dabei einen Augenblick
stille steht und die Lampe hochhält.
(Pieter Van
der Meer de Walcheren. Das weisse Paradies.)
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