Montag, 21. Dezember 2015

Die Kartause von La Valsainte. - Es ist der 23. Dezember. (3/3)

Nach dem Abendessen gehen wir wieder durch die weißen Klostergänge und die unendliche Stille, in der überall das Rauschen des fließenden Wassers wie von verborgenen Quellen singt.

Jetzt bin ich allein. Ich kehrte soeben in mein Gastzimmer zurück, wo nichts anderes sich vorfindet als zwei Stühle, ein Waschtisch, ein Betstuhl, das Bett, ein Vorrat an Holz, der Tisch mit einer Lampe und ein kleiner Ofen.

Unwillkürlich gehe ich ans Fenster. Es ist Nacht. Windstiller Raum weitet sich über die grauweißen Dächer (oder sind es beschneite Gipfel?) der Gebäude, welche den Innenhof umgeben. Darüber steht ein veilchenblauer Nachthimmel mit all seinen glitzernden Lichtsternen und dem Diamantenstaub der Milchstraße.

Die Stille, die tiefe, tiefe Stille: die Sicherheit des Geistes in der geformten Stille Gottes und des Weltalls.

Und da drinnen im Herzen der Kartause -dieser Kristallstadt in den Bergen - wohnen in ihren Zellenhäuschen die Patres.

Ich kenne diese so randvolle Stille. Ich denke an die Tage im Kloster Oosterhout zurück, wo auch diese gleiche Stille eine so unsagbar lebendige Gegenwart ist, in der das so wunderbare Werden und Sein des Geistes aufblüht und lebt - lebt im Atmen der Ewigkeit.

Wie unendlich weit von dieser lebensvollen Stille bewegt sich doch das, was wir ein tatenreiches Leben nennen! Neuerdings und eindrucksvoller denn je zuvor wird es mir klar, daß hier und noch an einigen andern Orten - Gottesstätten der Welt - der Mensch vollkommen seinem Ziele und dem Ziel der Schöpfung lebt.

Man kann Gott vollkommen auch in der Welt dienen. Diese Männer der Einsamkeit aber, die alles hintansetzen, um die Seele ganz dem Schöpfer hinzugeben, schreiben mit Flammenschrift an den Horizont der Welt jenes "Eins ist not!" Es erschreckt uns - und das ist gut.

Ein klein wenig vom Leben der Kartäuser - wie wenig es auch sein mag - und wäre es nur das nie verglimmende Sehnen nach dem Allerhöchsten und Allerschönsten, nach dem Allertiefsten und Allerreinsten, von hier in die Welt hineintragen, würde schon ein Schatz für das ganze Leben sein: die eine verlorene Drachme, um die zurückzufinden ich das ganze Haus meines Lebens umkehren will. Und ich werde nicht rasten, bis ich sie gefunden habe.

(Pieter Van der Meer de Walcheren. Das weisse Paradies.)



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