Nachdem sich Stefano Maconi in die Obhut von Caterina von Siena begeben und sich bekehrt hatte, schrieb sie an ihn einem Brief. Die Worte dieses Briefes richten sich an einen „Berufenen“, an jemand, von dem Caterina weiß, dass es nur noch auf eines ankommt: weiter zu gehen auf dem eingeschlagenen Weg. Sie spricht wie die große Liebende, wissend um das Geschenk der Hingabe, das der Nacht des Weges folgen wird, das Verkosten, die Vereinigung mit Gott.
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Im Namen Jesu
Christi des Gekreuzigten und der süßen Maria.
Teuerster Sohn in
Christus, dem liebsten Jesus!
Ich, Caterina, Dienerin
und Magd der Diener Jesu Christi, schreibe Dir in seinem kostbaren Blut, mit
dem Wunsche, Dich stark und standhaft zu sehen im Kampf, auf dass Du die Krone
der Herrlichkeit erlangest. Und Du weißt wohl, dass nur dem Beharrlichen die
Krone und die Frucht seiner Mühen zukommt.
Aber Du wirst mir
sagen: Wie kann ich zu solcher Festigkeit gelangen, auf welche Weise, da ich so
schwach und hinfällig bin, dass mich der kleinste Anstoß zu Boden wirft?
Ich antworte Dir
und gestehe Dir zu, dass Du schwach und gebrechlich bist im Bereiche des Sinnenlebens,
aber in bezug auf Vernunft und Geisteskraft trifft dies nicht zu; denn im Blute
Christi sind wir gestärkt: die Schwäche besteht nur in der Sinnlichkeit.
Wir können also
erkennen, auf welche Weise sich diese Kraft erwerben lässt, da die Schwäche nur
in unserem sinnlichen Teil besteht. Ich meine, dass wir auf folgende Weise die
glorreiche Tugend der Stärke und der Standhaftigkeit erlangen können:
Da unsere Vernunft
im Blute Christi gestärkt ist, müssen wir uns in diesen köstlichen und
wunderbaren Schatz versenken, ihn mit dem Auge des Geistes und dem Lichte des
allerheiligsten Glaubens im Gefäß unserer Seele betrachten, unser Sein als von
Gott herstammend erkennen, und ebenso die Wiedergeburt, die Gott uns aus Gnade
zuteil werden ließ, im Blute seines eingeborenen Sohnes, in dem die Schwäche
von uns genommen wurde.
O geliebtester
Sohn, sieh hin und freue Dich, dass Du zur Schale gemacht wurdest, das Blut des
gekreuzigten Christus zu fassen, wenn Du es nur mit Liebeshingabe verkosten
willst.
O erbarmungsvolles
Blut, durch dich träufelte die mitleidvolle Barmherzigkeit! Du bist jenes
glorreiche Blut, in dem der unwissende Mensch die Wahrheit des ewigen Vaters
sehen und erkennen kann; jene Wahrheit und unaussprechliche Liebe, durch die
wir nach Gottes Bild und Gleichnis erschaffen wurden. Dies war seine Wahrheit: dass
wir teilhaben und uns erfreuen sollten an diesem seinem höchsten Gut, das er
selbst in sich genießt. Im Blute hast du uns diese Wahrheit kundgetan, und zu
keinem anderen Zwecke erschufst du den Menschen!
O Blut, du
verscheuchtest die Finsternis und gabst dem Menschen das Licht, dass er die Wahrheit
erkenne und den heiligen Willen des ewigen Vaters. Du hast die Seele mit Gnade
genährt, aus der sie das Leben bezog und dem ewigen Tode entging. Du hast die
Seele mit der Speise der Ehre Gottes und dem Heile der Seelen fett gemacht; du
sättigst sie mit Schmach, die sie erwünschte, um sie aus Liebe zum gekreuzigten
Christus zu ertragen. Du entbrennst und verzehrst die Seele im Feuer der
göttlichen Liebe,
damit sich auflöse, was sich in der Seele außerhalb des Willens Gottes findet;
doch schädigst du sie nicht damit sie nicht durch die Schuld der Todsünde
verdorre.
O süßes Blut, du
entblößest sie der sinnenhaften Eigenliebe, einer Liebe, welche die Seele
schwächt, die sich mit ihr bekleidet. Und du hast sie mit dem Feuer der
göttlichen Liebe bekleidet, denn dich, Blut, kann niemand kosten, ohne dass du
ihn mit Feuer umhüllst - versprühtest du dich doch selbst im Liebesfeuer -,
dich um die Seele legend. Liebe aber ist nicht ohne Kraft, noch Kraft ohne
Ausdauer; deshalb kräftigst und stärkst du sie durch jede Trübsal.
Du siehst nun,
teuerster Sohn, dass dies die Weise ist, zu vollkommener Standhaftigkeit zu
gelangen: dass Du dich dem Feuer der göttlichen Liebe vereinst, welches Du im Blute
finden wirst, und dass Du im Blute jeden Eigenwillen ertränkest und ertötest.
Dann wirst Du mit der größten Standhaftigkeit umhüllt sein, wirst stark und
ausdauernd, wirst die Schwäche der eigenen Sinnlichkeit ertöten; und in der
Bitternis kostest Du die Süße und im Krieg den Frieden.
Ermanne Dich, mein
Sohn!
Lass nicht nach in
der von Gott auferlegten Zucht, bis Deine Stunde gekommen ist. Bedenke, dass
das ständige Aufreißen des Fundaments die Mühe nur verlängert: ist das Fundament
einmal gelegt, lässt sich das Gebäude leicht aufrichten. Du machst jetzt Deinen
Anfang; ist er dann vollendet, wirst Du alles andere leicht verrichten. Ich will
nicht, dass es Dir hart erscheine, löst sich doch die Härte im Andenken an das
Blut auf.
Trage, ertrage, sei
ein Ertragender!
So viel aber sage
ich Dir; handle hierin, wie Dir der heilige Geist zu tun eingibt. Aber kaum
halte ich mich zurück, jenes Wort zu sagen, das Christus sprach. Ich hoffe, Ort
und Zeit dazu lasse sich finden.
Und Du mühe Dich
ab,
das Schifflein Deiner
Seele auszurüsten und das Gefäß Deines Herzens mit dem Blute aufzufüllen.
Mehr sage ich
nicht.
Verbleibe in Gottes
heiliger und süßer Liebe.
Liebster Jesus,
Jesus die Liebe.
(Caterina
von Siena, Gotteserfahrung und Weg in die Welt, Freiburg 1980)
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