"Weltflucht", "Verlassen der Welt" – Bedeutung
„Weltflucht“ und andere Variationen dieses Begriffes, sind besser zu verstehen vor dem Hintergrund der Kenntnis ihrer Bedeutung für die jeweilige Zeit. Gerade auch im Zeitalter des heiligen Bruno, im 11. und 12. Jahrhundert, bestand die Kirche in einer ungeheuren Welt-zu-Gewandtheit. Sie ging geradezu unterschiedslos „in der Welt“ auf, lebte gewissermaßen in und mit ihr. Dieses „Aufgehen“ bedurfte einer Korrektur, einer „Gegenbewegung“.
Bruno verließ die Welt, um wie ein Wachposten auf die „Rückkehr des Herrn“ zu warten. Er stellte für sich und für die Kirche, die eschatologische Spannung wieder her. Bruno zeigt damit: Gott ist mehr zu lieben als die Welt; der Schöpfer mehr als das Geschöpf; das Unvergängliche mehr als das Vergängliche. Er nimmt schon die endzeitliche Freude vorweg, indem er dem, was auch wir kennen: Beunruhigungen, Sorgen, Intrigen, Machtstreben, Reichtum und Besitz (Stress) entsagt, um das ewige Leben zu ergreifen.
Weltentsagung ist sicher auch mit der ganz persönlichen Heilsfrage verbunden. Wer sucht den wahren Reichtum und das wahre Glück? Man muss zuerst der eigentlichen Armut und Verlorenheit des Lebens innegeworden sein, man muss die Ärgernisse dieser Welt erfahren haben, um nicht in ihrer Perversion unterzugehen. Nach einem „ruhigen Hafen“ wird ausgeschaut. Ein Hafen, der eine „erlöste Welt“ gegenüber einer „Welt der Sünde und des Todes“ darstellt.
Das „Verlassen der Welt“ im Sinne eines Sich-Zurückziehens aus dem öffentlichen Getriebe, wird im Mittelalter nicht prinzipiell als das „Bessere“ gewertet. Vielen Männern in wichtigen Positionen wurde der Eintritt in einen kontemplativen Orden häufig verwehrt, nämlich mit dem Hinweis ihrer besonderen Verantwortung für die Welt. So sandte auch Bruno den ihm nahestehenden Bischof Hugo von Grenoble, der auch Kartäuser werden wollte, zurück, damit er seine Aufgabe, sein Kirchenamt und deren Pflichten wahrnehme.
(vgl. Greshake/Weismayer, Quellen…, S. 25f)
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