Am alten Portal des "Refektoriums" von Buxheim zeigen Schnitzereien den halben Speisezettel von damals: Brot, Gemüse, Fisch und Krustentiere, kein Fleisch, doch Bier und Wein. Daran hat sich kaum etwas geändert. Und eine Figur im Chorgestühl zeigt die Prostratio der Kartäuser, ihre eigentümliche Gebetshaltung, die sie seit dem Mittelalter beibehalten haben: ein abgewinkeltes Hingeworfen-Sein auf den Boden, wie wir es heute in Rom um den Vatikan noch oft auf den Bürgersteigen finden: in der Haltung berufsmäßiger Bettler, die noch wissen, wie man richtig liegt und fleht. Seit der Gründung des Ordens, erzählt der Prior, leben sie "von der Luft und von der Liebe" (der Liebe großzügiger Spender vor allem, an denen es nie gefehlt hat). Doch Bettler sind sie offensichtlich nur vor Gott. So liegen sie einzeln vor dem Altar, und so liegt auch jeder Prior alle zwei Jahre vor dem Generalkapitel der großen Kartause in Frankreich, wo er gefragt wird: "Was wünschen Sie?" "Barmherzigkeit!" "Stehen Sie auf!". Danach wird über seinen Wunsch beschieden, ihn von seinem Amt zu entpflichten (oder noch einmal zwei Jahre weitermachen zu lassen). Dass die Mönche immer "Sie" zueinander sagen, ist selbstverständlich. Auch eine gewisse Form des Adels hat sich bei ihnen noch wie in einem Bernstein erhalten.
Als Elite würden sich die dreihundert Kartäusermönche, die es weltweit gibt, wohl kaum noch selbst verstehen. Sie sind selbstbewusst. Ihre Probezeit dauert bis zur endgültigen Bindung mindestens sieben Jahre, und wenn die Gemeinschaft es danach in geheimer Wahl ablehnt, jemanden feierlich für immer aufzunehmen, ist selbst der Prior machtlos. In Marienau, nicht weit von Buxheim, kommen die Mönche der einzigen Kartause Deutschlands aus neun Nationen und den verschiedensten Berufen. Einige der Priester waren auch vorher schon Akademiker. Das höchste Alter zum Eintritt beträgt 45 Jahre. "Den heiligen Bruno hätte ich nicht aufgenommen", scherzt der Prior, "der war ja schon über 50, als er unseren Orden gründete." Zur Marienau siedelten im Jahr 1964 die ersten Mönche aus dem Niederrhein um, wo das alte Mutterhaus die neuen Start- und Landebahnen des Düsseldorfer Flughafens blockierte. Der Gewinn vom Verkauf der alten Parzellen ermöglichte den Mönchen damals den Erwerb ihrer Lichtung im Wald, wo sie in jenen Jahren des Konzils – und in der Hochzeit hässlichster Architekturexperimente - eine neue kleine Klosterstadt errichten ließen, streng, klassisch schön, mit dem schlichten Friedhof in der Mitte des Kreuzgangs. Ihre Bücher nahmen sie mit, eine alte Statue des heiligen Bruno aus Köln, die alte Regel und den Geist der Gründung. "Welchen Gewinn und göttlichen Genuss die Einsamkeit und das Schweigen der Einöde denen bereiten, die sie lieben, wissen nur jene, die es erfahren haben", schrieb Guigo von Chastel fast fünfzig Jahre nach der Gründung des Ordens um 1130 in ihrer Regel und auch dies: "Das arme Leben in Einsamkeit ist zu Beginn schwer, wird mit der Zeit leicht und am Ende himmlisch."
Stimmt das noch? Ja, sagt der Prior, doch die Prüfungen seien schwer. "Die meisten gehen wieder. Der Orden bleibt. Einige verlassen uns nach Stunden, andere nach Tagen, manche erst nach 20 Jahren." So spät noch? Wie kommt es da noch zur Trennung? "Wie in einer Ehe", sagt der Mönch, "wenn der Dialog verkümmert und irgendwann aufhört." Der Dialog mit den Männern dieses Schweigeordens? "Nein, nein, der Dialog mit Gott natürlich. Das Leben eines Kartäusers ergibt doch nur Sinn durch dieses ständige Gespräch mit ihm, selbst wenn wir hadern und streiten, selbst wenn wir ihn zur Not verzweifelt anschreien. Doch es ist aus, wenn wir anfangen, ihn anzuschweigen! Das ist das Ende. Wir leben doch eine Liebesgeschichte. Wir warten doch Tag und Nacht auf nichts anderes als dies: eines Tages dem, der mich liebt, in die Augen zu sehen."
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