Samstag, 15. Januar 2011

Bruno schreibt aus Kalabrien an Radulf, 2


Muße und geruhsame Tätigkeit

(2) „Welchen Gewinn und welche Freude aber die Liebhaber der Einsamkeit und stillen Abgeschiedenheit erhalten, wissen allein die, die es erfahren haben. Denn hier können starke Charaktere nach Herzenslust in sich gehen und in sich ruhen. Hier können sie das Gute, das keimhaft in ihnen angelegt ist, entfalten und voll Freude gleichsam die Früchte des Paradieses genießen. Hier lässt sich jener helle Blick finden, dessen Zauber die Liebe des Bräutigams entfacht (Hld 4,9) und durch den und in dessen Klarheit man Gott schauen kann. Hier herrschen tätige Muße und geruhsame Tätigkeit. Hier teilt Gott denen, die sich abmühen, den ersehnten Kampfespreis zu (2 Tim 4,7), nämlich den Frieden, den die Welt nicht kennt (Joh 14,27), und die Freude im Heiligen Geist (Röm 14,17). Wer sich hier befindet, ist gleich Rachel die mit ihrer schönen Gestalt und all ihrem Liebreiz von Jakob mehr geliebt wurde, auch wenn sie ihm weniger Söhne gebar als Les, die fruchtbarer war und doch halb blind (Gen 29,17f). Kein Wunder, denn die Kinder der Beschaulichkeit (deren Symbol Rachel ist) sind weniger zahlreich als die Kinder tätigen Lebens (für das Lea steht). Und dennoch wurden Josef und Benjamin (die Kinder Rachels) von ihrem Vater mehr geliebt als ihre Brüder. Wer hier wohnt, besitzt „jenen besten teil, den Maria erwählt hat und der ihr nicht genommen wird“ (Lk 10,42).“
(Greshake/Weismayer, Quellen geistlichen Lebens, B. II, Grünewald-V. 1985, S. 25)

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