Die
Antwort von Christoph auf meine Frage, warum er Kartäuser ist, geht ein wenig
weiter: „Meine Sehnsucht nach Freiheit erfüllt sich hier." Ob er Freiheit vom gewöhnlichen Alltag meint?
Brudermönch verteilt das Mittagessen. La Valsainte. |
Kartäuser
leben „alternativ". Doch nicht wegen irgendwelcher Zeitströmungen, sondern
aus ihrer traditionellen Ordensregel heraus. Die Speisen sind einfach und
bekömmlich. Fleisch und Wurst gibt es nie. Fast alles ist selbst gemacht: Das
Brot und der Most, die Butter und der Käse; Salate, Gemüse, Kräuter stammen aus
dem Garten, Wasser aus den Bergen, Milch, Honig, Weizen aus Feld und Flur. Die
täglichen Mahlzeiten verzehrt jeder für sich allein in der Zelle. Sie werden
durch einen Schalter neben der Tür gereicht, ohne Blick- und Wortkontakt. Nur
an Sonn- und Feiertagen wird gemeinsam gegessen. Schweigend.
Der
große Speisesaal liegt neben dem kleinen Kreuzgang (Galilaea minor), der den
Eremitentrakt mit den Gemeinschaftsräumen und den Zellen der Laienmönche
verbindet. In der Mitte liegt die Kirche. Vom kleinen Kreuzgang gelangt manzu
dem großen, von dem aus die Enklaven der Einsiedler erreicht werden. Neben
jeder Enklave befinden sich eine Ziehglocke und der Essensschalter. Im Innern
gelangt man über einen kurzen Wandelgang in einen Vorraum, erst dann in das Wohngemach
der Mönche. Grobe Holzdielen, kahle Wände, vielleicht mal ein kleines Bildnis
eines Heiligen oder die Kopie einer Ikone. Spartanisch einfach die Einrichtung.
Ein grober Holztisch, fast unbearbeitet, Gebets- und Meditationsnische mit
Kniepult und Sitz, das alkovenartige Bett, einfache Wascheinrichtung, ein Bücherregal,
der eiserne Holzofen.
Das
Holz für den Ofen sägen und hacken die Eremiten selbst in einer unter dem
Wohnraum liegenden Werkstatt. Von hier gelangt man in den kleinen Garten, der
zu jeder Zelle gehört. Gärtnern dient der Entspannung des Geistes, auch das Arbeiten
in der Werkstatt. Umgeben ist das Grundstück von einer fünf Meter hohen Mauer -
Garantie für völlige Einsamkeit. Nur einmal die Woche wird sie aufgehoben:
sonntags, beim gemeinsamen Spaziergang. Dann dürfen die Mönche auch miteinander
reden.
Für
Schlaf bleibt selten mehr als fünf Stunden Zeit. Das Leben ist geordnet im
festen Rhythmus der Ordensregel. Bruder Rene empfindet das nicht als Zwang.
„Innerhalb der Regel findest du deine Zeit, ohne hinter ihr herzulaufen." Doch
all diese Vorschriften? „Hast du denn keine? Das fällt hier nur so auf, weil
wir sie einhalten. Zähl mal die Vorschriften, die dein Leben regeln!" Er hat
recht. Vielleicht merken wir die Regeln nicht so, weil wir meist versuchen, sie
zu umgehen. Rene schmunzelt: „Ich muß jetzt zum Kahlschlag." Auch das
gehört zur Absage an die Eitelkeit. Einmal im Monat wird allen der Kopf
geschoren. Nur Barte dürfen wachsen, von ihnen steht nichts in der Regel.
(Text:
Hans-Dieter Zinn, iwz-Stuttgart, 1986)
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