Bei
den Kartäusern scheint der Wandel der Zeit spurlos vorübergegangen: Bis heute
besteht eine Kartause aus zwei Abteilungen, dem Kloster der Laienbrüder und den
Enklaven der Einsiedlermönche. Während die Laienbrüder für die Bewirtschaftung
der Anlage und die Versorgung der Eremiten zuständig sind, leben letztere ganz
der Kontemplation und dem Studium, der willigen Versenkung in Gottes Wort, der Gottsuche.
Die
Laienbrüder haben ebenfalls Mönchsstatus, sind mit den Eremiten
gleichberechtigt. Sie haben aber nie studiert und arbeiten als Handwerker,
Bauern, Gärtner. Sie kochen und backen, säen und ernten, waschen und putzen,
keltern und zimmern, schmieden und nähen. Die Kartause lebt in größtmöglicher Autonomie
und hält Distanz zur „Außenwelt". Selbst der elektrische Strom wird in
einem kleinen Kraftwerk mit dem Wasser aus den Bergen produziert.
Bruder
Jakobus ist 82 Jahre alt. Er bäckt zweimal wöchentlich das Brot und bestellt
den Kräutergarten. „Ich gehöre zu den Geheimnisträgern unseres berühmten Kräuterlikörs.
Über 130 Kräuter werden verarbeitet. Nur
zwei Leute kennen das Rezept. Es wird von Generation zu Generation
weitergegeben. Ein Schluck täglich ist die beste Medizin." So sieht er
auch aus, mit seinen roten Pausbacken und den lustigen Augen. Dreißig Jahre
produzierte er den Likör in der „Grande Chartreuse", dem Gründungsort und Hauptkloster
des Ordens mit Verwaltung und großer Bibliothek. Mehr als 180 Mönche leben dort.
Dagegen ist La Valsainte mit seinen achtzehn Klausnern und zweiundzwanzig Laienbrüdern
recht klein.
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In einer Werkstatt. La Valsainte. |
Es
könnten mehr Mönche sein, denn in „La Valsainte" stehen achtzehn Enklaven
zur Zeit leer. Jährlich kommen nur zwei oder drei neue Anwärter, von denen aber
höchstens einer bleibt. Wer gesund ist, einen Beruf hat oder das Abitur, mindestens achtzehn Jahre alt undkatholisch ist, kann
kommen. Doch für „Einsiedlerromantik" ist kein Platz. Die Radikalität der
Entsagung und Einsamkeit läßt nur den „Berufenen" die Probezeit
überstehen. „Wir hatten mehrere Jahre keine Neuzugänge", bedauert der Prior,„doch in der letzten Zeit
haben wir wieder Interessenten." Trotzdem nimmt die Anzahl der Eremitenmönche
nicht zu, weil der Tod auch bei ihnen nicht vor der Pforte bleibt. Von den Einsiedlern
sind mehr als die Hälfte über sechzig Jahre alt. Bruder Ignatius aus Düsseldorf
ist der Älteste: 89 Jahre und seit 65 Jahren im Orden.
(Text:
Hans-Dieter Zinn, iwz-Stuttgart, 1986)
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