Dienstag, 31. Januar 2012

Goldener Brief 32-33

(Zelle und Himmel)

32. Denn wenn in der Zelle ununterbrochen Himmlisches ausgeführt wird, dann kommt der Himmel der Zelle sehr nahe durch die Ähnlichkeit des Geheimnisses, durch das liebende Ergriffensein der Frömmigkeit und durch die Ausführung des ähnlichen Werkes. Und schon ist der Weg für den Geist, der betet oder sogar aus dem Körper heraustritt, von der Zelle zum Himmel nicht mehr weit und schwierig. Denn man steigt oft von der Zelle in den Himmel auf. Kaum jemals aber steigt man von der Zelle in die Hölle hinab, außer im Sinne des Psalmes: Sie mögen lebend hinabsteigen, damit sie nicht sterbend hinabsteigen (Ps 54,16).

33. Denn auf diese Weise steigen die Bewohner der Zellen oft in die Hölle hinab. Wie sie sich nämlich gerne in beständiger Betrachtung die himmlischen Freuden vor Augen halten, um sie glühender zu erstreben, so auch die höllischen Qualen, um sie zu fürchten und zu meiden. Und das ist es, was sie für ihre Feinde im Gebet erbitten, dass sie lebend in die Hölle hinabsteigen (Ps 54,16). Sterbend steigt kaum jemals einer von der Zelle in die Hölle hinab, weil kaum einer in ihr bis zum Tode verharrt, ohne für den Himmel vorherbestimmt zu sein.

Montag, 30. Januar 2012

Goldener Brief 31

Zelle und Himmel 

31. Deswegen lebt ihr entsprechend eurer Berufung mehr im Himmel als in den Zellen. Ihr habt die Welt völlig von euch ausgeschlossen und habt euch ganz mit Gott eingeschlossen. Zelle und Himmel sind ja verwandte Wohnungen. Denn wie Himmel und Zelle (caelum - cella) irgendwie verwandte Worte zu sein scheinen, so sind sie auch in der Frömmigkeit verwandt. Von celare (verbergen) scheinen nämlich die Worte Himmel und Zelle abgeleitet zu sein. Was im Himmel verborgen ist, das ist auch in den Zellen verborgen. Was man im Himmel tut, das tut man auch in den Zellen. Worin besteht dieses tun? Es ist ein Frei sein für Gott, ein Genießen Gottes. Wenn das nach der Regel in den Zellen fromm und treu gefeiert wird, wage ich zu sagen, dass die heiligen Engel Gottes in den Zellen wie im Himmel wohnen und sich in den Zellen in gleicher Weise wie im Himmel freuen. 

Sonntag, 29. Januar 2012

Goldener Brief 28-30

(Wahre Einsamkeit)

28. Nicht nur die äußere Form der Frömmigkeit, sondern ihre Wahrheit in allem und vor allem verspricht eure Kleidung und verlangt eure Profess. Denn ebenso spricht der Apostel: "Es gibt welche, die den Schein der Frömmigkeit wahren, aber ihre Kraft verleugnen" (2 Tim 3,5). 

29. Wer immer von euch diese Frömmigkeit nicht in seinem Herzen besitzt, nicht in seinem Leben kundtut, nicht in seiner Zelle übt, sollte nicht Einsiedler genannt werden, sondern Einsamer. Die Zelle ist für ihn nicht Zelle, sondern Gefängnis und Kerker. Wirklich einsam ist der, mit dem Gott nicht ist. I n Wahrheit ist jener ein Gefangener, der nicht in Gott frei ist. Denn Einsamkeit und Gefängnis sind Namen des Elends. Die Zelle aber darf in keiner Weise ein erzwungenes Gefängnis sein, sondern sie muss eine Wohnung des Friedens sein. Das verschlossene Tor soll nicht ein Versteck sein, sondern Abgeschiedenheit. 

30. Der nämlich, mit dem Gott ist, ist niemals weniger allein, als wenn er allein ist. Denn dann genießt er in Freiheit seine Freude. Dann gehört er sich selbst, um Gott in sich zu genießen und sich in Gott. I m Lichte der Wahrheit und in der  Heiterkeit eines reinen Herzens wird die Reinheit seines Gewissens von selbst offenbar, und frei entfaltet sich in ihm das Gedächtnis, das von Gott berührt ist. Und es wird entweder der Verstand erleuchtet und die Liebe genießt das Gut, das sie besitzt, oder der Mensch beweint, ohne gezwungen zu werden, sich selbst und das Versagen der menschlichen Schwachheit. 

Samstag, 28. Januar 2012

Goldener Brief 27

1. Teil 

Der Sinnenverhaftete Mensch (homo animalis) 

1.Kapitel: Die Zelle und ihre Bewohner  

I. Die Zelle 

Wahre Einsamkeit 

27. Diese Frömmigkeit ist eine beständige Erinnerung an Gott, eine ununterbrochene Aufmerksamkeit, um ihn zu erkennen, eine unermüdliche, liebende Hinwendung zu seiner Liebe, sodass kein Tag - was sage ich? - keine Stunde jemals den Diener Gottes antrifft, in der er sich nicht abmüht in geistlicher Übung und bestrebt ist, Fortschritte zu machen, oder in der ihm nicht die Süßigkeit der Erfahrung Gottes geschenkt wird und die Freude des Genusses. Das ist die Frömmigkeit, zu der der Apostel den geliebten Schüler ermahnt, wenn er sagt: "Übe dich in der Frömmigkeit. Denn körperliche Übung nützt nur wenig. Die Frömmigkeit aber ist zu jedem guten Werke nützlich. Sie hat die Verheißung für das gegenwärtige und das zukünftige Leben" (1 Tim 4,7-8). 

Freitag, 27. Januar 2012

Goldener Brief 26

Übergang

26. Denn das Angesicht Gottes suchen, das heißt, Gott zu erkennen suchen von Angesicht zu Angesicht, das Jakob gesehen hat und von dem der Apostel sagt: "Dann werde ich erkennen, wie auch ich erkannt bin. Jetzt sehen wir im Spiegel und im Rätsel, dann aber von Angesicht zu Angesicht, wie er ist" (1 Kor 13,12). Dieses Angesicht in diesem Leben beständig suchen (Ps 104,4), durch die Unschuld der Hände und durch die Reinheit des Herzens, das ist Frömmigkeit, die, wie Ijob sagt, Verehrung Gottes ist (Ijob 28,28 LXX). Wer diese nicht besitzt, hat seine Seele vergeblich erhalten. Er lebt umsonst oder er lebt überhaupt nicht, weil er nicht das Leben lebt, um dessentwillen er seine Seele erhalten hat, um darin zu leben. 

Donnerstag, 26. Januar 2012

Goldener Brief 25

(Eifer auf dem Berg Gottes)

25. Denn der Name "Berg Gottes" selbst ist das Vorzeichen einer guten Hoffnung. Wie nämlich der Psalm vom Berge Gottes sagt, wird dort das Geschlecht derer wohnen, die den Herrn suchen, die das Antlitz des Gottes Jakobs suchen, ein Geschlecht mit unschuldigen Händen und reinem Herzen, das nicht vergeblich seine Seele erhalten hat (Ps 23,3.4.6. Vg). Denn gerade das ist euer Beruf: den Gott Jakobs suchen, nicht in der gewöhnlichen Weise wie alle Menschen, sondern Gottes Antlitz selbst suchen, das Jakob gesehen hat, der sagte: "Ich habe den Herrn gesehen von Angesicht zu Angesicht und meine Seele ward gerettet" (Gen 32,30).

Mittwoch, 25. Januar 2012

Goldener Brief 24

Eifer auf dem Berg Gottes

24. Ihr versteht, was ich sage. Denn der Herr wird euch das Verständnis geben (2 Tim 2,7). Ich freue mich in euch. Mag ich auch körperlich abwesend sein, bin ich doch geistig an- wesend. Und wenn ich eure Ordnung sehe (Kol 2,5), vor allem aber den geistlichen Eifer, die Fülle des Friedens (Ps 42,7), die Gnade der Einfachheit, die Strenge in der Beobachtung der Regel, selbst .die Süßigkeit des Heiligen Geistes in der gegenseitigen Liebe, die in jeder Hinsicht vollkommene Frömmigkeit in eurem Leben, dann frohlocke ich von ganzem Herzen in der Erinnerung an den Berg Gottes. Mit Hingabe verehre ich die Erstlingsfrüchte des Heiligen Geistes (Röm 8,23) und das Unterpfand der Gnade in der Hoffnung, dass das religiöse Leben dort wachsen wird. 

Dienstag, 24. Januar 2012

Goldener Brief 23

(Die Verantwortung der Brüder)

23. Gott aber sei Dank, weil es euch zur Ehre und euren Nachkommen zum Nutzen gereichen wird, wenn ihr. das, was ihr inzwischen befolgt, fromm und mutig befolgt, und wenn sie euch in Treue nachahmen. Und wenn es günstig ist, etwas zu ändern, wird Gott euch das offenbaren. Denn unbeschadet der Ehrfurcht, die der Heiligkeit der Kartause 20 in jeder Hinsicht gebührt und die mit allem Lob gepriesen werden muss, ist in jenen schrecklichen Alpen und bei dem ununterbrochenen Frost vieles notwendig, was natürlich in diesen Gegenden für die, die mit Feldfrüchten zu frieden sind und freiwillig die Armut befolgen, nicht so notwendig scheint. 

Montag, 23. Januar 2012

Goldener Brief 21-22

III. Mahnung zur Beharrlichkeit 

Die Verantwortung der Brüder

21. Wirkt vielmehr mit Furcht und Zittern euer eigenes Heil (Phil 2,12)! Nicht wie die andern sind, sondern wie sie, soweit es an euch liegt, durch euch werden, daran sollt ihr denken; nicht nur an die, die jetzt leben, sondern auch an die, die nach euch kommen, die euch in eurem heiligen Entschluss nachahmen werden. Von euch, von eurem Beispiel, von eurem Ansehen wird in diesem Gebiet die ganze Zukunft dieses heiligen Ordens abhängen. 

22. Deswegen werdet ihr von euren Nachfolgern Väter und Gründer genannt werden, mit der Ehrfurcht, die Nachahmern gebührt. Was immer von euch festgesetzt wurde, was immer durch eure Praxis und Beobachtung zur Gewohnheit wurde, werden eure Nachkommen ohne Zurücknahme einhalten müssen und niemand wird es ändern dürfen. Ihr werdet für eure Nachfolger das sein, was für uns die unabänderlichen Gesetze der höchsten und ewigen Wahrheit sind, die alle erforschen und kennen sollen, die aber niemand in Frage stellen darf.

Sonntag, 22. Januar 2012

Goldener Brief 19-20

Dünkel

19. Hüte dich auch, Diener Gottes, dir den Anschein zu geben, die zu verurteilen, die du nicht nachahmen willst! Ich möchte auch, dass du, immer noch krank, das tust, was jener tat, der sagte, obwohl er der gesündeste war: "Jesus Christus ist gekommen, um die Sünder zu retten, von denen ich der erste bin" (1 Tim 1,15). Denn Paulus sagte das nicht in einer unüberlegten Lüge, sondern in einer richtigen Selbsterkenntnis. Wer sich nämlich in einer ernsten Prüfung selbst erkennt, glaubt, dass keine Sünde seiner Sünde gleichkommt, weil er keine Sünde wie die seine erkennt.

20. Glaube also nicht, dass die Sonne, gemeinsam für alle, nur in deiner Zelle leuchtet, dass es nur bei dir heiter ist, dass die Gnade Gottes nur in deinem Herzen wirksam ist. Ist Gott nur ein Gott der Einsiedler? Er ist vielmehr ein Gott aller Menschen. Denn Gott erbarmt sich aller und er hasst nichts von dem, was er geschaffen hat (Weish 11,24). Du solltest lieber daran denken, dass es überall heiter ist, ausgenommen bei dir, und eher von dir eine schlechte Meinung haben als von allen anderen. 

Samstag, 21. Januar 2012

Goldener Brief 17-18

Gefahren: Selbstgefälligkeit

17. Ferne sei dennoch, Brüder, vom Urteil eures Gewissens, von eurer Kleinheit und Niedrigkeit und von eurem Munde jeder Hochmut. Denn von sich hoch zu denken ist der Tod. Leicht kann einer, der sich in der Höhe sieht, schwindelig werden und sein Leben gefährden. Gebt eurem Beruf einen anderen Namen, und einen anderen Titel schreibt auf euer Werk!

18. Haltet euch vielmehr für ungezähmte, wilde Tiere, die in Käfige gesperrt sind, weil sie anders auf gewöhnliche Weise nicht gezähmt werden konnten, und nennt euch so! Schaut auf die Tugend derer, die weit über euch stehen, und bewundert ihren Ruhm, die mit beiden Händen mit größter Tapferkeit kämpfen, wie Aoth, jener Richter Israels, der beide Hände wie die Rechte gebrauchte (Ri 3,15 Vg). Solange es ihnen möglich ist, lieben sie es, in ihrem Inneren mit großer Hingabe für die Liebe frei zu sein, um die Wahrheit zu betrachten. Wenn es aber die Notwendigkeit fordert oder eine Pflicht ruft, wenden sie sich mit größter Bereitschaft der äußeren Tätigkeit zu, ohne in ihr aufzugehen, um die Wahrheit der Liebe zu erfüllen.

Freitag, 20. Januar 2012

Goldener Brief 15-16

II. Aufruf zur Demut

Das erhabene Ideal der Brüder

15. Seid nicht nachlässig, seid nicht säumig! Ein weiter Weg steht euch bevor (1 Kön 19,7). Denn erhaben ist euer Beruf. Er übersteigt die Himmel, ist dem Leben der Engel gleich, ähnlich der Reinheit der Engel. Ihr habt nicht nur in jeder Hinsicht die Heiligkeit gelobt, sondern die Vollkommenheit aller Heiligkeit und die Vollendung jeder Vollkommenheit (Ps 118,96). Es ist nicht eure Sache, müde die für alle geltenden Gebote zu erfüllen, und auch nicht, nur darauf zu achten, was Gott befiehlt, sondern was er will, und zu prüfen, was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist (Röm 12,2).

16. Andere sollen Gott dienen, ihr aber sollt ihm anhangen. Andere sollen an Gott glauben, von ihm wissen, ihn lieben und verehren. Ihr aber sollt ihn verkosten, innerlich begreifen, erkennen und genießen. Etwas Großes ist das und etwas Schwieriges. Aber der in euch ist, ist allmächtig und gut. Er verspricht in Güte, vergilt in Treue und hilft unermüdlich. Denen, die aus großer Liebe zu ihm Großes versprechen und im Glauben und in der Hoffnung auf seine Gnade Größeres beginnen, als ihre Kräfte gestatten, denen verleiht er den Willen und die Sehnsucht dazu. Der im voraus die Gnade des Willens gibt, fügt auch die Kraft zum Erfolg hinzu. Wenn der Mensch für Gott in Treue getan hat, was er als Mensch konnte, wird Gott selbst, wenn ein Verleumder ihn anklagt, in Barmherzigkeit seinem Armen Recht verschaffen und seine Sache führen, weil der Mensch getan hat, was er konnte (Mk 14,8).

Donnerstag, 19. Januar 2012

Goldener Brief 14

Lasst sie reden

14. Schweigen mögen also die, die in der Dunkelheit über das Licht urteilen und euch der Neuerung beschuldigen, aus dem Überströmen ihres bösen Willens. Sie selber sollten eher als veraltet und eitel getadelt werden. Aber Lobredner und Verleumder werdet ihr immer haben, wie auch der Herr. Die Lobredner lasst unbeachtet. Das Gute das sie an euch lieben, das liebt an ihnen. Die Verleumder überseht und betet für sie. Vergesst, was hinter euch liegt (Phil 3,13). Geht an den Hindernissen vorbei, die euch neben dem Weg zur Rechten und Linken gelegt sind (Ps 139,6). Strebt nach dem, was vor euch liegt (Phil 3,13). Denn wenn ihr jedesmal entweder den Lobrednern antworten, oder mit den Verleumdern streiten wollt, verliert ihr Zeit. Das ist bei einem heiligen Vorhaben kein geringer Verlust. Wer einen aufhält, der von der Erde zum Himmel eilt, schadet ihm doch sehr, auch wenn er ihn nicht festhält.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Goldener Brief 13

Ursprünge des Eremitenlebens

13. Und nach dem Leiden des Herrn, als die Erinnerung an sein vergossenes Blut noch frisch war und in den Herzen der Gläubigen brannte, begannen Männer das Leben in der Einsamkeit zu wählen, die Armut des Geistes zu befolgen und einander in der fruchtbaren Muße durch geistliche Übungen und in der Betrachtung Gottes zu übertreffen, so dass sich die Wüsten bevölkerten. Unter anderen lesen wir von den beiden Paulus und Makarius, von Antonius, Arsenius und sehr vielen anderen. Sie sind gleichsam konsularische Männer im Staate desheiligen Lebenswandels, hervorragende Namen, Adelige im Staate Gottes. Sie haben den Ehrentitel eines Triumphators wegen des Sieges über die Welt, über den Fürsten dieser Welt und über ihren Körper, wegen der Sorge um ihre Seele und um den Herrn, ihren Gott (Jdt 5,17).

Dienstag, 17. Januar 2012

Goldener Brief 10-12

Vorwurf der Neuheit

10. "Neuheit" sage ich wegen der bösen Zungen von qottlosen Menschen (Sir 28,28), vor deren Angriff euch Gott in der Verborgenheit seines Angesichtes schützen möge (Ps 30, 21). Weil sie das offenbare Licht der Wahrheit nicht verdunkeln können, erregen sie sich am bloßen Wort "Neuheit". Alt sind sie selbst, und in ihrer alten Gesinnung sind sie unfähig, Neues zu denken. Sie sind alte Schläuche, die neuen Wein nicht fassen. Wenn er in sie gegossen würde, würden sie zerreißen (Mt 9,17; Mk 2,22; Lk 5,37).

11. Aber diese Neuheit ist nicht eine neuartige Eitelkeit. Sie ist eine Sache der alten Religion, die Vollkommenheit der in Christus begründeten Frömmigkeit, das alte Erbe der Kirche Gottes. Angekündigt in der Zeit der Propheten, wurde sie, als die Sonne der neuen Gnade schon aufgegangen war, von Johannes dem Täufer wieder eingeführt und erneuert (Mt 3,1-4; Mk 1,3-6; Lk 3,2-4), vom Herrn selbst oft mit größter Liebe geübt (Mt 14,23; Mk 1,35.45; 6,46; 9,1; Lk 14,1.42; 5,16; 9,18; Joh 6,15) und von seinen Jüngern ersehnt, als er noch bei ihnen war.

12. Als die, die mit ihm auf dem heiligen Berge waren, die Herrlichkeit seiner Verklärung gesehen hatten (Mt 17,2f; Mk 9,1f; Lk 9,33f), war Petrus sofort insofern außer sich und wusste nicht, was er sagte, als er beim Anblick der Majestät des Herrn das allgemeine Wohl in sein persönliches Glück einschließen wollte. Darin aber war er Herr seiner selbst und wusste sehr wohl, was er sagte, als er, nachdem er seine Süßigkeit verkostet hatte (Ps 33,9), es für sich für das beste hielt, immer hier zu sein. Er begehrte dieses Leben in der Gemeinschaft mit dem Herrn und den himmlischen Bürgern, die er bei ihm gesehen hatte, mit den Worten: "Herr, hier ist gut sein für uns. Wir wollen hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elija eine" (Mt 17,4). Wenn er darin erhört worden wäre, hätte er ohne Zweifel nachher drei andere Hütten erbaut, eine für sich, eine für Jakobus, eine für Johannes.

Montag, 16. Januar 2012

Goldener Brief 7-9

Die Berufung der Brüder

7. Schaut doch auf eure Berufung, Brüder (1 Kor 1,26)! Wo ist ein Weiser unter euch? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer dieser Welt (1 Kor 1,20)? Denn wenn es auch einige Weise unter euch gibt, so hat er dennoch durch die Einfachen die Weisen gesammelt, er, der sich einst Könige und Philosophen dieser Welt durch Fischer unterworfen hat.

8. Lasst also, lasst die Weisen dieser Welt, die vom Geist dieser Welt aufgeblasen sind (1 Kor 2,12), nach dem Hohen trachten (Röm 12,16) und die Erde belecken (Ps 71,9), mit ihrer Weisheit in die Hölle hinabstürzen. Ihr aber setzt euer Beginnen fort, während dem Sünder eine Grube gegraben wird (Ps 93,13). Ihr wurdet Toren wegen Gott. Ergreift durch die Torheit Gottes, die weiser ist als alle Menschen (1 Kor 1,25), unter der Führung Christi die demütige Lebensweise (Ps 2,12), um in den Himmel aufzusteigen.

9. Eure Einfachheit hat schon viele zum Eifer angespornt (2 Kor 9,2); eure Genügsamkeit und äußerste Armut (2 Kor 8,2) beschämt schon die Habgier vieler; eure Abgeschiedenheit flößt schon sehr vielen einen Schrecken vor jenen Dingen ein, die Lärm zu verursachen scheinen. Wenn es also irgendeinen Trost in Christus gibt, irgendeine Ermutigung in der Liebe, irgendeine Gemeinschaft des Geistes, wenn es ein herzliches Erbarmen gibt, macht meine Freude vollkommen (Phil  2,1-2), aber nicht nur meine Freude, sondern die Freude aller, die den Namen des Herrn lieben (Ps 118,132): im bunten, vom Gold der göttlichen Weisheit geschmückten Kleid der Königin, die zur Rechten des Bräutigams steht (Ps 44, 10), möge durch euren Eifer, durch euer inständiges Bemühen dieser Schmuck einer heiligen Neuheit wieder hergestellt werden. zur Ehre Gottes, zu eurem großen Ruhm und zur Freude aller Guten.

Sonntag, 15. Januar 2012

Goldener Brief 3-6

(Es gibt wieder Einsiedler)

3. Wir hörten es mit unseren Ohren (Ps 17,45) und konnten es nicht glauben. Wir lasen es in den Büchern und staunten über den alten Ruhm des Einsiedlerlebens und über die große Gnade Gottes in ihm. Doch plötzlich fanden wir es in den Fluren des Waldes (Ps 131,6), auf dem Berge Gottes, auf dem fruchtbaren Berg (Ps 67,16), wo schon die Schönheiten der Wüste Frucht bringen und die Hügel sich mit Freude umgürten (Ps 64,13).

4. Dort nämlich erscheint durch euch dieses Leben schon vor allen, in euch zeigt es sich, bisher unbekannt, wird es bekannt. Mit Hilfe weniger einfacher Menschen führt er selbst es uns vor Augen, der mit Hilfe weniger einfacher Menschen sich die ganze Welt unterworfen hat, zur Verwunderung der Welt.  Mögen nämlich die Wunder, die der Herr auf Erden wirkte, gewiss auch groß und göttlich gewesen sein, dieses eine aber überstrahlte alle anderen und erleuchtete alles übrige, dass er, wie gesagt, mit Hilfe weniger einfacher Menschen sich die ganze Welt und die ganze Erhabenheit ihrer Weisheit unterworfen hat. Dieses Wunder begann er nun auch in euch zu wirken.

6. Ja, Vater, so ist es vor dir wohlgefällig (Mt 11,26). Denn du hast das vor den Weisen und Klugen dieser Welt verborgen und den Kleinen geoffenbart (Mt 11,25). Fürchtet euch also nicht, kleine Herde, spricht der Herr, sondern seid voll Vertrauen, denn es hat Gott, dem Vater, gefallen, euch das Reich zu geben (Lk 12,32).

Samstag, 14. Januar 2012

Schwestern von Bethlehem

Monastische Familie von Bethlehem, 
der Aufnahme Mariens in den Himmel 
und des heiligen Bruno

Goldener Brief 1-2

Brief des Herrn Wilhelm
An die Brüder vom Berge Gottes


Einleitung

I. Glückwünsche und Ermutigung

Es gibt wieder Einsiedler


1. Den Brüdern vom Berge Gottes, die das Licht des Ostens und jenen alten religiösen Eifer aus Ägypten in die Dunkelheit des Westens und in die Kälte Galliens brachten, nämlich das Beispiel eines Lebens in der Einsamkeit und die Form eines himmlischen Lebens, ihnen eile entgegen und eile mit ihnen, meine Seele, in der Freude des Heiligen Geistes (1 Thess 1,6), mit dem Jubel des Herzens, mit dem Eifer der Liebe und mit der ganzen Hingabe eines ergebenen Willens.

2. Warum sollte man auch nicht Festmahl halten im Herrn (Lk 15,32; Phil 3,1) und sich freuen, da doch der herrlichste Teil der christlichen Religion, der den Himmel fast zu berühren schien, tot war und wieder lebendig wurde, verloren war und wieder gefunden wurde (Lk 15,24.32)?

Freitag, 13. Januar 2012

Goldener Brief, E. 1-3


Begleitschreiben
   
Den Herren und Brüdern, dem Prior H. und H. wünscht
Bruder Wilhelm einen Sabbat der Freude (Jes 58,13).

Widmung des Briefes an die Novizen

1. Beinahe unverschämt und mehr als sich geziemt hat sich mein Mund vor euch aufgetan, geliebteste Brüder in Christus. Verzeiht, denn mein Herz ist weit geworden (2 Kor 6,11). Ich bitte euch, werdet auch ihr weit in eurem Herzen (2 Kor 6,13.12) und nehmt uns auf (2 Kor 7,2). Denn ich bin ganz euer in dem, in dessen herzlicher Liebe wir uns nach einander sehnen (Phil 1,8).

2. Daher beschloss ich, seit ich euch verlassen habe bis zu dieser Stunde, meine tägliche Arbeit, wie gering sie auch sein mag, nicht euch zu widmen, da ihr es nicht nötig habt (1 Thess 5,1), sondern Bruder Stephan und seinen Gefährten, den jüngeren Brüdern und den Novizen, die zu euch kommen, deren Lehrer allein Gott ist. Sie sollen es haben und lesen. Vielleicht finden sie darin etwas, was für sie nützlich ist, als Trost für ihre Einsamkeit und als Ansporn in ihrem heiligen Vorhaben.

3. Ich biete an, was ich kann: den guten Willen. Ihn fordere ich auch von euch zurück mit seinen Früchten. David gefiel Gott, als er tanzte (2 Sam 6,14-16. 20-23), nicht wegen des Tanzes, sondern wegen seiner Gesinnung. In ähnlicher Weise ist auch die Frau, welche die Füße des Herrn salbte, vom Herrn gelobt worden, nicht weil sie ihn salbte, sondern weil sie liebte. Und weil sie das tat, was sie konnte, fand sie darin ihre Rechtfertigung (Lk 7,28-47; Mk 14,6-8; 1 Kor 4,4).

Donnerstag, 12. Januar 2012

Generalaudienz am 2. Dezember 2009

An diesem Tag sprach der Heilige Vater in seiner Mittwochskatechese über Wilhelm von Saint-Thierry, obgleich dieser doch kein kanonisierter Heiliger ist. 
Unter anderem sagte Papst Benedikt XVI.:

Nach Wilhelm hat sodann die Liebe eine weitere wichtige Eigenschaft: Sie erleuchtet die Vernunft und gestattet es, Gott und in Gott die Menschen und Ereignisse besser und tiefer zu erkennen. Die Erkenntnis, die auf die Sinne und die Vernunft zurückgeht, verringert den Abstand zwischen dem Subjekt und dem Objekt, zwischen dem Ich und dem Du, beseitigt ihn aber nicht. Die Liebe hingegen bringt Anziehung und Gemeinschaft hervor, bis zu dem Punkt, daß es zu einer Verwandlung und einer Angleichung zwischen dem liebenden Subjekt und dem geliebten Objekt kommt. Diese Gegenseitigkeit von Zuneigung und Sympathie erlaubt nun eine viel tiefere Erkenntnis als jene, die allein durch die Vernunft zustande kommt. So erklärt sich ein berühmter Ausspruch Wilhelms: »Amor ipse intellectus est – bereits an sich ist die Liebe Prinzip der Erkenntnis.« Liebe Freunde, wir fragen uns: Trifft das nicht gerade für unser Leben zu? Ist es etwa nicht wahr, daß wir nur den und das wirklich kennen, wen und was wir lieben? Ohne eine gewisse Sympathie kennt man nichts und niemanden! 

Zur ganzen Ansprache geht es HIER

Mittwoch, 11. Januar 2012

Drei Stufen

Einführung zum Goldenen Brief, 4

Zu den drei Stufen des geistlichen Lebens:

Auf der ersten Stufe, der des tierischen, animalischen, geht es darum, sich von der Tyrannei seiner Sinne zu befreien; deshalb muss man sich abtöten und Zucht und Enthaltsamkeit üben. Und man muss unbedingten Gehorsam üben, denn Einsicht und Wille sind nicht „Herr der Lage“. Man muss sich einem Führer anvertrauen.

Auf der zweiten Stufe, der des vernünftigen, rationalen Menschen, muss dieser sich beharrlich um Selbstentäußerung und Loslösung von seinem falschen „Ich“ mühen. Ein solcher Mensch ist in dem Maße vernünftig, wie er sich dem Werk der Läuterung hingibt. Ist er aber geläutert, wird er zu einem  geistlichen Menschen.

Auf dieser dritten Stufe angelangt, werden ihm „göttliche Lichter“ zuteil, in denen der Heilige Geist spürbar an ihm wirkt. So wird das göttliche Ebenbild nach und nach in ihm wieder hergestellt.

Das gesamte Leben ist für den Mystiker Wilhelm auf die Erfahrung Gottes ausgerichtet.
Mit dem Wort „schauen“ meint er das Rühren an Gott. Das Erkenntnisvermögen wird eher ergriffen als dass es selbst etwas begreift. Und dieses „an Gott rühren“ lässt ihn auch an dem Wahrnehmungsvermögen der anderen Sinne beschreiben, wie: Gott berühren, ihn verkosten, oder ihn schmecken, fühlen und hören. Wenn die Seele Gott trifft, weil sie von ihm getroffen wird, erwacht ihr „Sinnesorgan der erleuchteten Liebe“. Auf diesem Weg der Liebe fließt der Heilige Geist, die Liebe in Person, in die Seele ein und überströmt sie und wandelt sie um.

Lassen wir Wilhelm von Saint-Thierry, einen der großen Zisterzienserväter, selbst zu Wort kommen und hören wir, was er den Kartäusern geschrieben und uns „Heutigen“ zu sagen hat

(Die vorstehenden Ausführungen entstammen z. T. aus einer Mitschrift einer Vortragsreihe über die Spiritualität der Zisterzienserväter aus dem Jahre 1977).

Auf den Stufen des Weges, Moldauklöster

Dienstag, 10. Januar 2012

Der Brief an die Brüder von Mons Dei

Einführung zum Goldenen Brief, 3

Der Brief an die Brüder von Mons Dei (PL 184, 307-354)

Der Brief Wilhelms bietet bis heute eine reife und praktische Darstellung eines geistlichen Stufenweges im Mönchtum. Und es handelt sich um eines der besten Zeugnisse für die geistliche Verbundenheit, ja Verwandtschaft von Kartäusern und Zisterziensern. Diese Abhandlung ist geschrieben für Kartäuser und schildert genausogut das geistliche Programm der Zisterzienser.

Die Hauptthemen der geistlichen Lehre Wilhelms sind:
die Struktur der Seele,
die Seele als Abbild Gottes,
die Stufen des geistlichen Lebens,
die Liebe als Erkenntnisvermögen.

Er teilt den Weg zur Kontemplation in drei Stufen ein.
(Homo animalis, Homo rationalis, Homo spiritualis):

Der Mensch beginnt, nach Paulus, als ein „tierisches“ Wesen, d. h. er ist zunächst ganz von seinen Instinkten, seiner Sinnlichkeit, seiner irdisch eingestellten Psyche geleitet.
Er lernt erst allmählich, sich vom Verstand leiten zu lassen, d. h., nicht einseitig vom Intellekt, sondern von seiner geistlichen Verantwortung und seiner Erkenntnis, was Gott von ihm will.
Schließlich wird er ein geistlicher Mensch, der vom Geist Gottes geleitet, ihn lebendig erfährt und eins mit ihm wird.

Die Seele wurde erschaffen nach Gottes Ebenbild. Ihre drei Grundvermögen entsprechen den Personen der Dreifaltigkeit:
-das Gedächtnis (memoria) dem Vater,
-die Einsicht (ratio, intelligentia) dem Sohn,
-der Wille bzw. die Liebe (voluntas, amor) dem Heiligen Geist

Diese unzerstörbare Grundstruktur der Seele muss „bearbeitet“ und ans Licht gebracht werden. Der Mensch muss sie erspüren, ihrer gewahr werden und er muss sie in Liebe und Kontemplation betätigen. Durch die Sünde, die das Göttliche verborgen hat, war die Seele nicht mehr Gott zugewandt.

„Die Seele wurde als Ebenbild und zur Schau Gottes geschaffen. Und sobald sie anfangen sollte, Gott zu verkosten, begann sie sich der Unvernunft zuzuneigen; sie ging fort vom Angesicht des Herrn wie Kain, und wohnt im Land der Unebenbildlichkeit… Sie ist in die Knechtschaft ihrer Fehler verfallen, und entfremdet vom Frieden der Söhne Gottes …“

Überreste der ehemalige Kartause "Mons Dei"

Montag, 9. Januar 2012

Wilhelm von Saint-Thierry

Einführung zum Goldenen Brief, 2

Wer war Wilhelm?

Wilhelm von Saint-Thierry wurde 1070/75 in einer Lütticher Adelsfamilie geboren. Er studierte in Reims und trat dort in ein Kloster ein, in dem er „ein unreines Leben führte“, wie er von sich sagte. Im Jahre 1121 wurde er zum Abt gewählt für das Kloster der Benediktiner von Saint-Thierry. Mit Bernhard verband ihn eine herzliche Freundschaft und er wollte ihm gerne nach Clairvaux folgen. Bernhard ließ das nicht zu. Er schrieb ihm:

„Ich rate dir, halte an dem fest, was du hast; bleibe wo du bist, und bemühe dich, denen zu nützen denen du vorstehst. Fliehe nicht davor, vorzustehen, solange du deinen Brüdern nützen kannst. Freilich, wehe dir, wenn du vorstehst, ohne zu nützen. Aber noch ein schlimmeres Wehe dir, wenn du aus dem Vorsteheramt fliehst, weil du nicht mehr nützen willst!“

Doch 1135 legte Wilhelm sein Abtamt von Saint-Thierry nieder. Er trat in dem gerade von Igny aus gegründeten Zisterzienserkloster Signy ein, deren erster Postulant er wurde. Tatsächlich erwies sich das Zisterzienserleben als zu schwer für den bereits über sechzigjährigen. Er wurde von harten Arbeiten befreit und konnte sich so mehr dem Gebet, der Kontemplation und dem Schreiben widmen. Er starb im Jahre 1148.

Sonntag, 8. Januar 2012

Kartäuser und Zisterzienser

Einführung zum Goldenen Brief, 1

Verwandtschaft von Kartäusern und Zisterziensern

Zwischen 1140 und 1144 besuchte der Zisterzienserabt Wilhelm die Kartause Mons Dei. Er muss dabei auf die Kartäusermönche einen großen Eindruck gemacht haben, denn sie erbaten sich von ihm hernach eine „geistliche Wegweisung“. Wilhelm schrieb auf diese Bitte hin seinen berühmten „Brief an die Brüder von Mons Dei“; den „Goldenen Brief“, wie ihn Jahrhunderte später Jean Mabillon treffend genannt hatte.

Im „Zeitalter des heiligen Bernhard von Clairvaux“, dem wichtigsten der Väter des Zisterzienserordens, gab es nicht nur Auseinandersetzungen um die Art und Weise, wie Mönchsleben „zu gehen hat“ (nach der Blütezeit der Cluniazensern Reform, der benediktinischen, damals weitverbreiteten mönchischen Lebensweise, oder Streitereien über die Glaubenswahrheiten, wie sie etwa Bernhard selbst mit Abaelard führte. Es war auch die Zeit großer geistlicher Aufbrüche, zu denen neben der Bewegung der Zisterzienser auch das Ideal der Kartäuser zählte, sowie im Süden Europas etwa die franziskanische Bewegung. Ihnen allen gemein waren die Ideale, die Ziele: Anschauung Gottes, Erfüllung des Liebesgebotes Jesu, die uneingeschränkte und konsequente Nachfolge Christi, so wie sie diese jeweils verstanden.

Schon von Anfang an gab es eine große geistliche Nähe und Verbundenheit zwischen der zisterziensischen und der kartusianischen Ordensbewegung, die bis heute nachverfolgt werden kann. Der Brief Wilhelms ist ein solches Bindeglied.

Vicente Carducho 1632, Sankt Bernhard besucht den Prior der Großen Kartause, Paris, Louvre

Samstag, 7. Januar 2012

Gedanken einer Kartäusernonne

Die Zelle ist das Universum einer Kartäusernonne
Mahlzeit, Schlaf, Arbeit, Lektüre, Gebet, sie haben keinen anderen gewöhnlichen Rahmen. Einsames Gebet, einsame Arbeit. 


Aber scheinen die Stunden nicht unendlich zu sein, die Tage eintönig?
Das wäre so, wenn die Nonne mit sich selbst allein wäre.
Sie ist nicht allein.
Sie liebt.
Sie liebt einen verborgenen Gott, gewiss, aber seine verbürgte Gegenwart erfüllt sie mit Freude.
Arbeit, Mahlzeiten oder Entspannung, allen diese Realitäten, die das Leben aller Menschen ausmachen, misst die Kartäuserin einen so hohen Wert bei, dass sie Gott selbst daran teilnehmen lässt.
Sie lebt sie mit ihm, mit ihm allein.
Mit ihm, in der Stille ihrer Zelle.
Mit ihm, in der Stille ihres Herzens.
Wenn sich allerdings Gott zurückzuziehen scheint, was geschieht dann mit jener, die alles für ihn verlassen hat?
Wie wird sie die Einsamkeit ihrer Einöde ertragen?
Wo wird sie ihren Durst stillen?
Jesus hat Durst gelitten.
Jesus verweilte in der Wüste durch den Geist.
Die Versuchung bestürmte ihn.
Er hat sie besiegt
und er stärkt jene, die ihm nachgefolgt ist.
Auf sein Wort hin und aus Liebe ist sie ausgezogen.
Und auf sein Wort hin und aus Liebe bleibt sie.
Sie erwartet den Tag.
Sie weiß, dass Gott in der Heiligen Schrift immer spricht.
Er spricht zu ihr, jetzt.
Er spricht zu der Jungfrau,
und die Jungfrau bewahrte, erwog alle diese Dinge in ihrem Herzen.
Marias Schweigen in Nazareth & Niemand kann es ausschöpfen.
Es ist die unausschöpfliche Quelle des Lichtes und der Kraft für die kontemplative Nonne.
Es hilft, den verborgenen Gott im Alltäglichen zu suchen.
Das Alltägliche?
Im Laufe des Tages, lauter Kleinigkeiten: eine Näharbeit, ein Buch öffnen, eine Mahlzeit einnehmen.
Nichts.
Gott ist da.
Nichts weiter in der Werkstatt von Nazareth als Bretter und Hobelspäne.
Gott war da.
Der menschgewordene Gott hobelte mit der ganzen Kraft seiner Hände. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf das Brett, auf den Hobel gerichtet. Und der Kunde, sein Vater Josef und sein himmlischer Vater waren zufrieden.
Selbst wenn Gott abwesend und die Last des Tages an sich schon erdrückend zu sein scheint, die Näharbeit ist da, sie will gemacht sein, das Buch liegt da, es will geöffnet werden, die Mahlzeit ist da, sie will eingenommen werden.
Christus wartet, auch er.
Die Kartäuserin glaubt es mit ihrer ganzen Kraft,
sie richtet ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Näharbeit, auf das Buch, auf die Mahlzeit.
Wird ihr Gott sagen, dass sie ihm so Freude bereitet?
Er sagt es, aber auf eine so stille Art, dass sie es oft nicht wahrnehmen kann.
Sie weiß es durch den Glauben, wie Maria.
Die ganze Eintönigkeit der Wüste, ohne ihren weiten Horizont.
Und dennoch.

Freitag, 6. Januar 2012

Die Kartäusermadonna

"ANBETUNG DER KÖNIGE"
Holzschnitt von 1503 durch Albrecht Dürer


Die Rückseite (li) zeigt einen Holzstich von 1515; 
Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm, 
den Heiligen Johannes den Täufer 
und sechs Kartäusermönche.

Es handelt sich hier um eine Münze des deutschen Münzhandels zu Weihnachten 1994.

Donnerstag, 5. Januar 2012

"Bethlehem" in Argentinien



Der Orden  
"Monastische Familie von Bethlehem, 
der Aufnahme Mariens in den Himmel 
und des heiligen Bruno"

... gründete 1992 in der südamerikanischen Bergwelt der Anden in großer Einsamkeit das "Monasterio Santa Maria en la Santisima Trinidad", nahe der größeren Stadt Merlo, in der Diözese San Luís, Argentinien.





Dienstag, 3. Januar 2012

Zweckmäßig

Monastische Familie von Bethlehem, 7


Der Vorraum (Praecella) dient der Lagerung von Holz und dem eventuell notwendigen Gespräch mit einer Mitschwester. Das Deambulatorium erschließt die verschiedenen Bereiche der Zelle, auf sechs Quadratmetern kann die Nonne körperliche Übungen machen, falls der Garten zugeschneit ist. Von hier aus führt eine Treppe in den Arbeitsraum (Laboratorium) und eine in das zweigeschossige Oratorium, wo die Gebetsstunden verbracht werden. Im Cubiculum mit eingebauter Dusche und WC wird auf acht Quadratmetern geschlafen und gegessen, darüber liegt eine winzige Studierstube (Skriptorium). In der oberen Zellenreihe liegen die Wohnbereiche im Obergeschoss - mit freiem Bergblick nach Süden; die untere Reihe schaut auf den kleinen Teich mit dem Pavillon, in dem sich die Schwestern vor den Gottesdiensten sammeln. Dazwischen liegen die grasbewachsenen Kreuzganghöfe, deren konzentriertes Raumgefühl man nur ahnen kann. Talseitig vor der Kirche steht auf einer halbkreisförmigen Wiese ein schlichtes Holzkreuz. Hier ist der Platz für den Friedhof. Noch gibt es keine Gräber.
Der ganze Arikel: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/im-kartaeuserkloster-hier-ist-raum-fuer-die-grosse-stille-geschaffen-11577791.html

Viele junge Frauen schenken sich ganz Gott

Montag, 2. Januar 2012

Hingeordnet für das Gebet

Monastische Familie von Bethleem, 6


Der Kirchenraum ist schwach erleuchtet, die Akustik überraschend gut. Wer Gottesdienstroutine kennt, wird sie hier vergeblich suchen. An den Kirchenraum schließt sich das Refektorium an, im Obergeschoss die dem Vernehmen nach sehr gut sortierte Bibliothek. Radio, Fernsehen oder Internet gibt es im Kloster nicht, Telefon und eine Tageszeitung sind die Verbindungen zur Außenwelt, jenseits der Nachrichten, die Besucher bringen. Der Wirtschaftstrakt liegt zentral für eine einfache Essensversorgung; die längste Zeit des Tages ist der Einsamkeit und dem Gebet in den zweigeschossigen Zellen vorbehalten. „Keine kann der anderen in den Garten schauen“ - so verlangt es die geheime Ordensregel. Jeder Zelle ist ein Atelier zugeordnet, in dem die Schwestern Kunsthandwerk für den Klosterladen herstellen: Keramik, Kruzifixe, Rosenkränze.

Die Anordnung der Baukörper spiegelt die schrittweise Entwicklung hin zu Stille und Einsamkeit wider. Sie versucht mit einfachen Mitteln auszukommen, was wegen der Steilheit des Geländes nicht immer möglich war: Massive Stützwände waren nötig, um den Hang abzufangen. Die Häuser sind aus Fichte-Massivholz-Platten gebaut, weil diese einfach vorzufertigen und zu montieren sind. Fassadenverkleidung und Dachschindeln sind aus heimischem Lärchenholz. Das Kernstück der Kartause, diese zentrale Leistung des Architekten in puncto Raumeinteilung, ist dem Laien verschlossen. Dabei hat der Baumeister auf deren Gestaltung „am meisten Hirnschmalz“ verwendet, schließlich sind dort auf einem Grundriss von 4,5 auf 4,85 Metern gleich mehrere Räume untergebracht.

Der ganze Arikel: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/im-kartaeuserkloster-hier-ist-raum-fuer-die-grosse-stille-geschaffen-11577791.html

Die Reihe der "Kartausen", der Zellen

Sonntag, 1. Januar 2012

Kirchbau

Monastische Familie von Bethlehem, 5

Die Kirche ist mit dem Altar exakt nach Osten ausgerichtet und mit drei Dutzend Metern Länge die größte Holzkirche Österreichs. Das mächtige Tonnengewölbe ist mit Zirbelholz verkleidet, strenge Symmetrie herrscht in allen Bauteilen: jeweils fünf Rundbogenfenster, ein erhöhtes Presbyterium mit einem kubischen Altartisch von je einem Meter Seitenlänge. Das schlanke Chorgestühl haben Freunde des Klosters aus Vorarlberg gebaut. Durch einen verwinkelten Gang ist es Laien möglich, auf der Empore an den Messen teilzunehmen. Um 16.30 Uhr wird Vesper gefeiert, sie dauert neunzig Minuten einschließlich einer abschließenden halben Stunde stiller Einkehr, die von einem „Salve Regina“ beschlossen wird. Während draußen früh die Winternacht hereinbricht, zelebriert ein Priester die mit ostkirchlichen Elementen angereicherte Liturgie, die das Beten mit dem ganzen Körper kennt: die tiefe Verbeugung, den Bodenkuss, das hingestreckte Liegen.

Der ganze Arikel: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/im-kartaeuserkloster-hier-ist-raum-fuer-die-grosse-stille-geschaffen-11577791.html

Kinderalm, die neue Kirche
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