Donnerstag, 24. September 2015

Ich begreife niemals

IL181-Z.17.5

Natürliches Leben, geistliches Leben,
beinahe alles in mir ist beeinflusst, geregelt, geleitet, beherrscht durch meine Befriedigung.

Welch schreckliche Gewissenserforschung, wenn ich meine Gedanken, Neigungen und Handlungen bis ins einzelne prüfen wollte! –
Wie würde ich bei allem, überall und immer den verfluchten Trieb meiner selbstsüchtigen Befriedigung sehen, der die Ehre Gottes zu unterdrücken und manchmal ganz auszulöschen sucht! Bei allem! –

O, ich begreife niemals, wie sehr mein Leben Unordnung ist! –
Ich bin überall der erste; Gott ist unaufhörlich an zweite Stelle oder ganz beiseite gesetzt.

Bei allem, was ich tue, was mir begegnet, was ich suche oder meide, schaue ich in erster Linie auf meine Person.
Ich liebe meinetwegen, ich verabscheue meinetwegen.
Inwiefern dient mir das zur Verherrlichung Gottes?
Darüber sollte ich mich gewohnheitsmäßig bei allem an erster Stelle fragen, und darüber frage ich mich so selten.
Inwiefern dient mir das zu meinem Nutzen oder zu meiner Lust? Darauf schaue ich immer an erster Stelle, aber darauf sollte ich nur an zweiter Stelle sehen und bloß als Folge oder als Mittel zur Verherrlichung Gottes. –
Habe ich je gewusst, was Vollkommenheit ist?

(Dom François de Sales Polien, IL, 20150914)


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