Sonntag, 6. November 2011

Kardinal Meisner über die Kartäuser, 5

5. Aber vielleicht werden wir einwenden, dass die kirchliche Öffentlichkeit weder von den Kartäusern etwas sehen noch hören kann. Und doch gibt ihr Dasein der Kirche die nötige Schwerkraft und den nötigen Tiefgang, damit die Kirche in den Stürmen der Zeit nicht scheitert. Papst Johannes Paul II. schrieb im Jahr 1984 einen eigenen Brief an die Kartäuser. Darin schreibt er ausdrücklich: „Unsere Zeit braucht offensichtlich euer Beispiel und euren Dienst: Die Menschen werden von so vielen Meinungen hin und her gerissen. Nicht selten werden sie verwirrt und geraten in große geistliche Gefahren durch so viele Schriften, die überall unterschiedslos veröffentlicht werden, vor allem jedoch durch die Massenmedien, die eine so große Einflussmöglichkeit auf die Herzen besitzen, häufig jedoch der christlichen Wahrheit und Moral widersprechen. Daher spüren die Menschen das Bedürfnis, das Absolute zu suchen und es durch ein vorgelebtes Zeugnis bestätigt zu sehen. Eure Aufgabe besteht nun gerade darin, ihnen dieses Zeugnis deutlich zu zeigen. Aber auch diejenigen Söhne und Töchter der Kirche, die sich dem Apostolat in der Welt mit ihren ständigen Veränderungen und Entwicklungen widmen, brauchen einen Halt in der Beständigkeit Gottes und seiner Liebe. Diese Beständigkeit sehen sie von euch bezeugt, habt ihr doch auf dieser irdischen Pilgerschaft in besonderer Weise daran Anteil. Die Kirche selbst muss als der Mystische Leib Christi der göttlichen Majestät unaufhörlich ein Lobopfer darbringen. Das gehört zu ihren wichtigsten Aufgaben. Hierfür braucht sie euren frommen Eifer, die ihr täglich ‚auf göttlichem Wachposten ausharrt‘, wie der hl. Bruno schrieb“. Was Papst Benedikt XVI. in seiner Freiburger Rede sagte: „Um ihre Sendung zu verwirklichen, wird die Kirche auch immer wieder Distanz zu ihrer Umgebung nehmen müssen, sich gewissermaßen‚ entweltlichen‘“, wird von den Kartäusern exemplarisch für uns alle praktiziert.

Wir wissen wahrscheinlich gar nicht, was wir der einzigen Kartause in Deutschland zu verdanken haben! Und ihre Treue zu ihrer Berufung zeigt sich gerade darin, dass von ihr kaum in unserer kirchlichen Gegenwart die Rede ist. In jedem Christen müsste ein Stück kartäusischer Existenz vorhanden sein. Er sollte in seiner Wohnung einen Gebetsort, eine Gebetsecke haben, wo er wie ein Kartäuser oder wie eine Kartäuserin täglich ein gutes Stück Einkehr halten kann. Karthäuser Praxis und Gesinnung lassen einen Christen bei Gesprächsrunden auf keinen Fall länger reden als er täglich betet. In einem Bischof muss ein gutes Stück Kartäuser-Existenz vorhanden sein, wenn er nicht in den täglichen Herausforderungen zerrissen, zerfasert und zerstreut werden will und dabei dann sein Herz verliert.

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