Die einen widmen sich
Bußübungen, andere suchen Zurückgezogenheit und Einsamkeit, wieder andere
fühlen sich zur evangelischen Armut berufen. Jedes dieser Mittel wurde von
bestimmten Ordensgemeinschaften erwählt und wird dort besonders gepflegt.
Doch was bedeuten Armut, Einsamkeit und selbst Buße, wenn sie nicht von einer reinen und geradezu göttlichen Absicht beseelt sind?
Man kann wirklich die Welt und ihre Freuden verlassen; man kann lernen, Verzicht zu üben und sich selbst zu meistern, und doch von egoistischen Beweggründen geleitet sein; man muß nicht Christ sein, um ein solches Ideal zu erstreben. Griechenland und Indien haben Helden einer philosophisch begründeten Aszese hervorgebracht, und doch kann man dabei nicht von Heiligkeit sprechen.
Keine einzige Tugend darf
also vernachlässigt werden; denn der Platz, den ein Mangel an dieser
Wachsamkeit leergelassen hat, nimmt sogleich eine Form der Eigenliebe an. Es
ist also wichtig, nicht eine andere Pflicht zu vernachlässigen, während man
sich der einen widmet. Und da unser unvollkommener Wille immer der Gefahr
ausgesetzt ist, parteiisch zu werden, müssen wir unserem Tun und auch unserem
Werturteil immer die höchste und sicherste Absicht als Halt geben. Gott selbst
weist uns darauf hin und lädt uns durch den Mund des Apostels ein, danach zu
streben:
„Strebt immer nach den höchsten Gnadengaben. Aber ich
will euch einen noch weit vorzüglicheren Weg zeigen. Wenn ich mit Menschen- und
Engelszungen redete, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nur ein tönendes
Erz oder eine klingende Schelle… Wenn ich alle meine Habe den Armen austeilte,
und wenn ich meinen Leib den Flammen preisgäbe, hätte aber die Liebe nicht, so
nützte es mir nichts“ (1 Kor 12,
31.13, 1.3).
(vgl. Sendung der Stille,
Kartäuserschriften für Christen von heute, 1957)
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