Niemand
wird sich, so denke ich, hinsichtlich der Tragweite der hier zugunsten der
Vernunft ausgesprochenen Forderungen irren. Man wird leicht feststellen, dass
sie nicht zum Schaden des Glaubens und der Gnade, sondern einzig zum
Zurückweisen der Gefühlsduselei dient, oder, anders gesagt, des rein
animalischen Vegetierens. Diese zwei Haltungen sind ganz nah verwandt. Sie hat
im Leben einen so wichtigen Platz eingenommen, der ihr weder durch die Natur
noch durch die Gnade zusteht, und sie schwächt dadurch Natur und Gnade.
Der
Verstand ist die Kraft, die den Menschen lehrt; er muss ihn lenken. Der
Verstand bereitet die Wege für den Glauben, und in dieser Kraft hat diese große
Tugend ihren Sitz. (Vgl. Thomas v. Aquin, S. Th. 2-2, q 9, a 4,2).
Wenn
der Verstand aus seiner lenkenden Tätigkeit vertrieben wird, leidet darunter
nicht bloß die Natur, sondern auch der Glaube, und das geistliche Leben ist
verdorben. Gerade das ereignet sich in unseren Tagen. Das Gefühl, das den
zweiten Rang in den Kräften des Menschen einnimmt, setzt sich an den ersten Platz,
es strebt danach, selbst die Führung in der Frömmigkeit zu übernehmen.
Ich
habe es bereits gesagt, das Leben wird so eine Angelegenheit des Gefühls, der
Glaube zum Gefühlseindruck, die Frömmigkeit zu einer Gefühlssache. Alles wird
animalisch und materialistisch; alles, selbst das Höchste, sinkt hinab und wird
schwach; alles wird äußerlich und schal; alles wankt und fällt; alles vegetiert
nur und verkümmert. Warum geschieht das? Weil der Baum sich nicht mehr auf
seiner Wurzel, das Gebäude nicht mehr auf seinem Fundament, der Berg nicht mehr
auf seiner Grundfeste steht, weil der Leib keine Seele mehr hat.
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