Das Leben ist kurz
– man muß es nützen!
Besuch in Marienau,
dem einzigen Kartäuserkloster Deutschlands
Abseits von den
Touristenorten, wenige Kilometer vom württembergischen Leutkirch entfernt,
liegt Marlenau: das einzige Kartäuserkloster Deutschlands. Als die Mönche vor
zehn Jahren vor dem Lärm der Großstadt Düsseldorf und seines Flugplatzes ihre
hundertjährige Kartause Maria Hain verließen, schlossen sie mit dem Allgäu
einen „Pakt der Verschwiegenheit“. Das Allgäu hält in dieser waldreichen Gegend
sein Versprechen. Sogar die Wege scheinen mehr abzuweisen als einzuladen,
Schilder halten
Neugierige zurück, und hohe Mauern verwehren den Einblick.
Was hatte ich
erwartet, als ich mich über den festen Händedruck des Priors wundere? War ich
dem Volksgerücht erlegen, das - sofern es überhaupt etwas über diesen
Einsiedlerorden weiß – von langen Nachtwachen, zehrendem Fasten und ewigem
Schweigen zu erzählen weiß?
Der Kartäuserorden
ist, kein populärer Orden, stellen die Männer in der weißen Kutte sachlich
fest. Wie könnte es anders sein! Die Lebenserwartungen in Marienau laufen allem
Prestigedenken und allen Beförderungswünschen der bundesdeutschen Mehrheit
zuwider. Wer sich durch die Ordensgelübde und die Priesterweihe lebenslänglich
zum Leben in der Kartäuserzelle entschlossen hat, hat, „weltlich"
gesprochen, nichts mehr vom Leben zu erwarten. Aufgaben innerhalb des Ordens
wie die des Priors, des Prokurators oder des Vikars sind Dienste, die
widerrufbar sind.
Der Mönch gehört
nach seiner Profeß der Eremitenzelle, die aus Wohn- und Schlafraum, Werkstatt
und Garten besteht. 26 solcher Zellen gibt es in Marienau. Die kleinen Häuschen
gruppieren sich um die Kreuzgänge, die zu Kirche, Bibliothek und Speisesaal
Kontakt halten. Den Weg zur Kapelle macht der Mönch am häufigsten. Das Gebet führt
ihn mit den Mitbrüdern zusammen. Nur an Sonn- und Feiertagen erlaubt eine kurze
gemeinsame Erholung das Sprechen miteinander. Außerdem findet wöchentlich ein Spaziergang
statt, der etwa vier Stunden dauert und der zur Aussprache dient. Der Rest ist
Schweigen.
Der gemeinsame
Speisesaal wird nur an Sonn- und Feiertagen benutzt. An den übrigen Tagen essen
die Zellenmönche, was ihnen die Brüder in den Schalter stellen, der die Zelle
mit dem Kreuzgang verbindet.
Pater
Gerhard Eberts
Mainzer
Kirchenzeitung „Glaube und Leben“, 5. Mai 1974
Foto aus dem Zeitungsbericht |
Bildtitel:
Der Innenhof des erst vor zehn Jahren erbauten Klosters mit dem Friedhof
im Vordergrund, auf dem bereits vier Mönche begraben liegen.
Jedes Grab ist mit einem schlichten Holzkreuz versehen.
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