Das schwere
bestickte Tuch wird rasch abgehoben und zusammengefaltet. Begleitet vom
Psalmengebet der Mönche wird die Brettunterlage von der Bahre abgehoben und in
die zwei Meter tiefe Grube abgesenkt. Ein kurzes Gebet, Weihrauch, ein Kreuzzeichen
und sogleich, noch in Gegenwart der „Trauer"-Gemeinde, schaufeln zwei
Brüder das Grab zu. Die Grube ist tief und es dauert mehrere Psalmen, bis sie
vollends aufgefüllt ist. Ein schlichtes Holzkreuz ohne Namen wird aufgestellt.
Nachdem die letzte Schaufel auf den Grabhügel gefallen ist, bewegen sich die
Mönche schweigend vom Friedhof weg, zurück in ihre Welt, hinein in ihre
selbstgewählte Einsamkeit, die für uns nur lähmende Wiederkehr des Schweigens
ist.
Wenn in einigen
Monaten wieder Rasen das schmale Rechteck des Grabes überzieht, dann wird nur
dieses namenlose Holzkreuz einen Besucher daran erinnern, daß darunter ein
Mensch begraben liegt, der in Aufopferung für Gott gelebt hat; unscheinbar im Leben,
unscheinbar im Tod. Ich erinnere mich plötzlich daran, daß ich einst in der
Kartause den Satz gehört habe: "Mönch, wenn du tot bist, dann muß es sein,
als ob es dich nie gegeben hätte". Die Bedeutung des Satzes trifft mich
heute mit besonderer Heftigkeit. Ich wollte diese Aussage innerlich nie akzeptieren,
sie ist so unangenehm absolut.
Auf dem kleinen
Friedhof inmitten des Kreuzganges stehen mehr als ein Dutzend solcher Holzkreuze.
Wer sie anschaut, wird eigentümlich berührt, jedes Kreuz steht wie ein
"schweigendes Ausruf-Zeichen". Darunter liegen Menschen, die diesen Satz
ernst genommen haben.
(Matthias
Raidt:
Als
ob es dich nie gegeben hätte
Bei
einer Beerdigung in Marienau,
der
letzten Kartause Deutschlands
Aachener
Kirchenzeitung Nr. 48, 1995)
Fotos aus dem Zeitungsbericht |
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