Sonntag, 4. November 2012

Über die Kartause Marianau 1995 (2 von 5)

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Als ob es dich nie gegeben hätte

Bei einer Beerdigung in Marienau,
der letzten Kartause Deutschlands

Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre sagte einmal, der Tod sei eine persönliche Angelegenheit: man rutscht aus der Welt und keiner merkt es. Damit faßt er zusammen, was heute vielfach für das Sterben gilt. Ein Mensch verläßt diese Welt selten in einer ihm gewohnten Umgebung. Gestorben wird auf Straßen, in öffentlichen Toiletten, auf Kriegsschauplätzen und in sterilen Krankenbetten - zuhause im Kreise der Familie, .das kommt nicht mehr häufig vor. Der Tod ist gewöhnlich geworden, kann konsumiert werden in Zahlen, Berichten und Bildern. Sterben, das tut immer der andere.

Unsere Gesellschaft verdrängt den Tod in vorbildlicher Weise. Särge werden zu fein ausgeschlagenen Schlafbehältern mit Repräsentationscharakter, Leichenwagen sind Nobelkarossen mit besonderer Route, und Gräber haben sich zu raffinierten Miniparks entwickelt. Selbst Begräbnisse entarten nicht selten zu peinlichen Szenarien, in denen die Rücksichtnahme auf die Zurückgebliebenen dominierender ist, als der Akt des Begrabens selbst. Hauptsache es war eine schöne Beerdigung!

Eine ganz andere Sterbe- und Bestattungssituation trifft man in einem Kloster im Allgäu an. Wer von Bad Wurzach im Kreis Ravensburg über Seibranz auf einem schmalen Feldweg anreist, vorbei an ruhigen Höfen und weidendem Vieh, der schaut lange vergebens, bis er vor sich über den Wipfeln einen fast unauffälligen, hölzernen Dachreiter erkennt. Hinter diesem dichten Tannenwald liegt "Marienau", das einzige und letzte Kartäuserkloster in Deutschland.

Wer einen Verwandten im Kloster hat, wird diese Strecke einmal im Jahr fahren, wenn er zur jährlichen Besuchszeit anreist. Einen Familienbesuch im Jahr, mehr nicht. so schreibt es die harte Klosterregel vor.

(Matthias Raidt:
Als ob es dich nie gegeben hätte
Bei einer Beerdigung in Marienau,
der letzten Kartause Deutschlands
Aachener Kirchenzeitung Nr. 48, 1995)

Foto aus dem Zeitungsbericht

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