Als ob es dich nie
gegeben hätte
Bei einer
Beerdigung in Marienau,
der letzten
Kartause Deutschlands
Der französische Philosoph
Jean-Paul Sartre sagte einmal, der Tod sei eine persönliche Angelegenheit: man
rutscht aus der Welt und keiner merkt es. Damit faßt er zusammen, was heute
vielfach für das Sterben gilt. Ein Mensch verläßt diese Welt selten in einer
ihm gewohnten Umgebung. Gestorben wird auf Straßen, in öffentlichen Toiletten,
auf Kriegsschauplätzen und in sterilen Krankenbetten - zuhause im Kreise der
Familie, .das kommt nicht mehr häufig vor. Der Tod ist gewöhnlich geworden,
kann konsumiert werden in Zahlen, Berichten und Bildern. Sterben, das tut immer
der andere.
Unsere Gesellschaft
verdrängt den Tod in vorbildlicher Weise. Särge werden zu fein ausgeschlagenen Schlafbehältern
mit Repräsentationscharakter, Leichenwagen sind Nobelkarossen mit besonderer
Route, und Gräber haben sich zu raffinierten Miniparks entwickelt. Selbst
Begräbnisse entarten nicht selten zu peinlichen Szenarien, in denen die
Rücksichtnahme auf die Zurückgebliebenen dominierender ist, als der Akt des
Begrabens selbst. Hauptsache es war eine schöne Beerdigung!
Eine ganz andere
Sterbe- und Bestattungssituation trifft man in einem Kloster im Allgäu an. Wer
von Bad Wurzach im Kreis Ravensburg über Seibranz auf einem schmalen Feldweg
anreist, vorbei an ruhigen Höfen und weidendem Vieh, der schaut lange
vergebens, bis er vor sich über den Wipfeln einen fast unauffälligen, hölzernen
Dachreiter erkennt. Hinter diesem dichten Tannenwald liegt
"Marienau", das einzige und letzte Kartäuserkloster in Deutschland.
Wer einen
Verwandten im Kloster hat, wird diese Strecke einmal im Jahr fahren, wenn er
zur jährlichen Besuchszeit anreist. Einen Familienbesuch im Jahr, mehr nicht.
so schreibt es die harte Klosterregel vor.
(Matthias
Raidt:
Als
ob es dich nie gegeben hätte
Bei
einer Beerdigung in Marienau,
der
letzten Kartause Deutschlands
Aachener
Kirchenzeitung Nr. 48, 1995)
Foto aus dem Zeitungsbericht |
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