Sicher nicht durch Gedanken! Unser Verstand reduziert Gott auf unser Maß: Die Geschöpfe gelangen nur zu abstrakten Begriffen. Es ist betrüblich festzustellen, daß unser Geist, auf den wir so stolz sind, das wahre Antlitz des lebendigen Gottes nicht begreifen kann; er steckt in der Not, seine unaussprechliche Natur in Begriffe zu pressen, um sich irgendwelche Vorstellungen von Gott zu machen, was aber seiner Zerstörung gleichkommt. Uns fehlt das Licht der Herrlichkeit.
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Es ist die Liebe, die mit Gott vereint; aber sie ist nichts anderes als die Übereinstimmung
des Willens. Wenn sich unser Wille im Willen Gottes verliert, begreifen wir
Gott und begegnen ihm in seinem göttlichen Sein. Er und sein Wille sind eins.
Unser Wille wird so in sein Herz einmünden, er hat mit großen Schritten einen
Weg durcheilt; von diesem Zentrum aus betrachtet er nun Gottes bewundernswerte Vollkommenheit:
„Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber
liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich
ihm offenbaren" (Joh 14,21). Dies geschieht nicht von außen, von ferne,
sondern aus dem Inneren unserer Seele heraus, die durch die Liebe seine Wohnung
geworden ist: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater
wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen" (Joh
14,23).
So
vollzieht sich ein erstaunlicher Rollentausch: Gott seinerseits erfüllt den
Willen seines „Sklaven". Trotz seines Zornes widersteht er nicht dem Gebet
des Abrahams (vgl. Gen 18,22-33) und dem des Mose (vgl. Ex 32,14); der Grand,
warum er das tut, gilt auch für jeden, der sich seinem Willen überlässt: „Auch
das, was du jetzt verlangt hast, will ich tun; denn du hast nun einmal Gnade
gefunden, und ich kenne dich mit Namen" (Ex 33,17). Warum diese
„Bevorzugung", wenn nicht aufgrund der vollständigen Fügsamkeit dieser
großen Diener?
(Ausschnitte
aus: Ein Einsiedlermönch, Wo die Wüste erblüht, Verl. Neue Stadt 1984)
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