Bereits
bei den ersten Schritten wird er auf die Probe gestellt werden. Du vermutest,
die Wüste sei ein strenges Land, aber du wirst dich fühlen wie ein
„freigelassenes Maultier" (vgl. Ijob 39,5). Der erste Verzicht, der von
dir gefordert wird, ist gerade diese Freiheit. Trotz allem anfänglichen
Anschein ist dies dein Glück:
Der
Gehorsam wird dich vor Abschweifungen in eine geistige Schwärmerei bewahren.
Wer auf gut Glück in der Einsamkeit umherschweift, ist verloren. „Das
Wichtigste und Unentbehrlichste (in der Sahara) ist ein Führer", schreibt
Charles de Foucauld am 25. April 1908 seiner Schwester über die geistliche Führung.
Der
Aufstieg in das Gebirge benötigt die gleiche Absicherung. In der Steppe findet
man keinen „Weg zur wohnlichen Stadt" (Ps 107,4). Gott selbst führte in
der Wolke die Israeliten, aber seine Befehle wurden durch Mose vermittelt (vgl.
Num 9,23). Die Kirche will in ihrer Weisheit nicht, dass sich das Eremitentum der
allgemeinen Regel des religiösen Gehorsams entzieht. Du wirst vielleicht
darüber betrübt sein und dich neidisch nach einem unabhängigen Anachoretentum
sehnen, um die Hände frei zu haben und schneller voranzukommen. Diese Illusion ist
sehr häufig, ebenso wie die darauf folgende Enttäuschung. Die Unterwerfung
einer Einsiedelei unter die Gemeinschaft ist ein Schutz; es besteht kein
Zweifel daran, dass der Obere der Kanal für den göttlichen Willen ist. Der Unabhängige
ist seinen Träumen ausgeliefert; er riskiert, seinen „eigenen" Willen für „göttlich"
zu halten. Nimm das Joch des Gehorsams gelassen auf dich. Akzeptiere das
„Gesetz", das die Einsiedelei regiert und das durch die Zeit und die
Erfahrung bestätigt ist.
Wirst
du enttäuscht sein? Werden die Menschen und die Gewohnheiten deinen Träumen
entsprechen? Was sind die Träume wert? Nur eines interessiert dich: die
Möglichkeit, ein echt eremitisches Leben zu führen. Wenn du den Frieden suchst,
richte dein Interesse nur auf das Wesentliche. Die Umstände verändern sich und
bleiben immer voller Mängel. Das gilt für das, was du vorfindest, ebenso wie
für das, was du dir wünschst. Die Wüste ist das Land der Trugbilder, dieser
bezaubernden Halluzinationen, deren einziger Nachteil darin besteht, dass sie
unwirklich sind. Es wäre schade, wenn dich irgendwelche Nebensächlichkeiten hindern
würden, die grundlegenden Werte zu erkennen.
[…]
(Ausschnitte
aus: Ein Einsiedlermönch, Wo die Wüste erblüht, Verl. Neue Stadt 1984)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen