Das
Mittagessen muss ich mir in der Küche in einer Ecke des Innenhofs abholen. Als
wir eben vorbeigehen, sehe ich die Schatten zweier Brüder, die über der
Ofenglut hantieren. Kapuzen und Bärte, die sich flugs abwenden. In der Nische
über der Glut befindet sich mein Geschirr, „Fr. Marc" steht darauf zu lesen.
Die Brotration schneidet man selbst; wer Wein mag, nimmt ein Viertel Roten. Das
Menü am Fensterbrett in der Zelle: Milchsuppe, Kartoffeln mit Porreegemüse,
Eierkuchen, Äpfel. Reste darf man für den Abend aufbewahren. An den hohen Doppelfenstern
die graue Stille des Wintertages, an der Kirchwand gegenüber meine einzigen
Nachbarn: St. Bruno und die Jungfrau Maria, die von den Kartäusern als ihre „einzigartige
Mutter" hochverehrte Himmelskönigin.
Das
Ritual des Essens entfaltet in der Kargheit der Zelle eine besondere Brisanz.
Ich spüre bald, dass ich mich darauf heimlich freue, es kaum erwarten kann, in
das Küchenverlies hinabzusteigen, die nie sichtbaren Brüder hinter der Schwungtüre
an den Kesseln und Töpfen zu hören, Brot zu schneiden, den Wein nicht zu
vergessen, das Gestell hinauf in Nr. 16 zu tragen. Unterwegs Gerüche von
Gemüsesuppe oder gebratenen Eiern. Auf dem Brett das Fläschchen mit dem
funkelnden Landwein. Ganz langsames Kauen, Schmecken, Trinken. Die leise Enttäuschung,
wenn alles vorbei ist und ich nebenan am kalten Becken das Geschirr zu spülen
beginne.
(Ausschnitte:
Sterne über Sélignac, Freddy Derwahl, Eremiten Die Abenteuer der Einsamkeit,
Pattloch 2000)
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