Das
Wecken, kurz vor sechs, ist grausam, die Kälte erschreckender denn je, draußen
noch immer tiefste Nacht, Schreie von Raubvögeln weit oben in den unsichtbaren
Schneefelsen. In der Kirche beginnt nach der Laudes die Eucharistie. Gleich
fällt auf, dass sie sich ihre uralten Ritustraditionen bewahrt haben, die das Spärliche,
Ausgewischte mit der Langsamkeit verbinden. Es zählt nur die dramatische
Intensität der sakralen Handlung, des heiligen Spiels. Die in Kreuzesform weit
ausgebreiteten Arme des Priesters beim Hochgebet. Das mysteriöse Zusammenspiel
von Kampf und Kontemplation. Mose, der Einsame auf dem Berg, lies die Arme
nicht sinken, während Josua in der Ebene, bei wechselndem Kriegsglück, mit den
Amalekitern kämpfte. Abendmahl und Abschiedsszene, Brotbrechen, Weintrinken,
Danksagen im Schatten tödlichen Verrats. Mehr als eine Stunde dauert an diesem Wochentag
die Messe, aber hier ist nichts beiläufig, nichts Routine. Nur heiliger Ernst,
dem sich niemand entziehen kann.
(Ausschnitte:
Sterne über Sélignac, Freddy Derwahl, Eremiten Die Abenteuer der Einsamkeit,
Pattloch 2000)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen