201.
Der Wille aber wird befreit, wenn er Liebe wird, wenn die Liehe Gottes
ausgegossen wird in unseren Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben
wird (Röm 5,5). Und dann ist die Vernunft wirklich Vernunft, das heißt eine
Haltung des Geistes, die in allem mit der Wahrheit übereinstimmt. Wenn nämlich
der Wille durch die befreiende Gnade befreit ist und der Geist durch die freie
Vernunft geleitet zu werden beginnt, dann ist er Herr seiner selbst, das heißt,
er gebraucht sich selber in Freiheit, er wird Geist (animus) und guter Geist
(bonus animus). Geist, insofern er sein Lebewesen (animal) gut belebt (animans)
und vollendet durch die Ergänzung der freien Vernunft. Gut aber, insofern er
schon sein eigenes Gut liebt, durch das er gut wird und ohne das er weder gut noch
Geist sein kann.
Freitag, 31. August 2012
Donnerstag, 30. August 2012
Goldener Brief 200
200.
Denn zur Strafe für die Sünde und zum Zeugnis für die verlorene natürliche
Würde ist ihm die Entscheidungsfähigkeit gelassen, wenn auch als eine
gefangene, als ein Zeichen. Er kann sie auch vor der Bekehrung und Befreiung
des Willens niemals zur Gänze durch irgendeine Abkehr des Willens verlieren. Auch
wenn er sie missbraucht, indem er das Böse an Stelle des Guten wählt, ist er
durch sie, wie gesagt, besser und würdiger als die ganze materielle Schöpfung,
sowohl in sich, als auch in der Kunst der schöpferischen Wahrheit.
Mittwoch, 29. August 2012
Goldener Brief 199
199.
Denn der Geist des Menschen ist geschaffen mit Scharfsinn im Streben nach dem
Guten und mit einer Natur, bereit zur Tat. Er steht an der Spitze der von der
schöpferischen Weisheit geschaffenen Dinge. Er überragt die materielle
Schöpfung, ist leuchtender als jedes körperliche Licht und würdiger, weil er
ein Abbild des Schöpfers ist und fähig, die Vernunft aufzunehmen. Dennoch wurde
er, verstrickt in die Sünde des fleischlichen Ursprungs, Sklave der Sünde und
gefangen genommen unter dem Gesetz der Sünde, das in den Gliedern ist (Röm
7,23). Dennoch verlor er nicht gänzlich die Entscheidungsfähigkeit, das heißt
das Urteil des Verstandes, das abschätzt und unterscheidet, wenngleich er seine
Freiheit im Wollen und Tun verloren hat.
Dienstag, 28. August 2012
Goldener Brief 198
Die
vernunftbegabte Seele
198.
Die Seele (anima) ist ein unkörperliches Wesen, fähig der Vernunft und dazu
bestimmt, dem Körper Leben zu geben. Sie bewirkt, dass die Menschen beseelt
sind (animales), Geschmack finden an den Dingen des Fleisches und von den
Sinnen des Körpers abhängig sind. Sobald die Seele aber beginnt, nicht nur
empfänglich für die vollkommene Vernunft zu sein, sondern ihrer auch
teilhaftig, legt sie sofort das Zeichen des weiblichen Geschlechtes ab und wird
der Geist (animus), der an der Vernunft teilhat, der geeignet ist, den Körper
zu leiten, der sich selbst besitzt. Solange er noch Seele ist, wird er schnell
weiblich, indem er sich dem zuwendet, was fleischlich ist. Der Geist aber
trachtet nach dem, was männlich oder geistlich ist.
Montag, 27. August 2012
Goldener Brief 197
197.
Wie also im Fortschritt des religiösen Lebens – wir haben oben schon davon
gesprochen - der sinnenverhaftete Mensch über seinen Körper wacht, um das
äußere Leben zu ordnen und für die Übung der Tugend zu bereiten, so muss der
verstandesmäßige Mensch sich um den Geist kümmern, ihn hervorbringen, wenn er
noch fehlt, ihn ausbilden und ordnen, wenn er schon vorhanden ist. Vor allem muss
man überlegen, wer oder was der Geist selbst ist, den die Vernunft zu einem
vernünftigen macht; dann, was die Vernunft selbst ist, die ein sterbliches
Lebewesen, dadurch dass sie es vernünftig macht, zu einem Menschen macht. Aber
zuerst müssen wir von der Seele sprechen.
Sonntag, 26. August 2012
Goldener Brief 196
196.
Wenn die Vernunft voranschreitend zur Liebe emporsteigt und die Gnade zum
Menschen der Liebe und Sehnsucht herabsteigt, dann geschieht es oft, dass
Vernunft und Liebe, die diese beiden Stufen bewirken, eins werden, und auch
das, was von ihnen bewirkt wird, nämlich Weisheit und Wissen. Und sie können
nun nicht mehr getrennt behandelt oder gedacht werden, da sie schon eins sind
und das Ergebnis einer Tätigkeit und einer Tugend sind, sowohl im Verstehen des
Erkennenden, als auch in der Freude des Genießenden. Wenngleich der eine vom
andern zu unterscheiden ist, muss dennoch, wenn die Sache sich so darbietet,
der eine mit dem andern und im andern gedacht und behandelt werden.
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